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Das Orakel von Port-nicolas

Das Orakel von Port-nicolas

Titel: Das Orakel von Port-nicolas Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Fred Vargas
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Gesichter beobachtet und sich Einzelheiten notiert, um sich zurechtzufinden, aber er sah keine Möglichkeit, wie er alle Spuren verfolgen sollte. Das konnte tagelang dauern. Ohne die Heerscharen zu berücksichtigen, die sicherlich vor halb elf vorbeikamen. Eine erdrückende Arbeit, aber es kam nicht in Frage, die Sache auf sich beruhen zu lassen. Eine Frau war vielleicht um die Ecke gebracht worden, er hatte es immer verstanden, Schmutz aufzuspüren, er kriegte es nicht fertig, etwas auf sich beruhen zu lassen.
    Es war nicht nötig, die Besitzer der Vormittagshunde zu überwachen, das Baumgitter war sauber gewesen, als er die Bank am Donnerstag um zwei Uhr nachmittags verlassen hatte. Der Hund war danach gekommen. Und es gab mindestens eine Sache, auf die man sich verlassen konnte, das war die Regelmäßigkeit von Gassigängern. Immer zur selben Zeit und möglicherweise zwei Rundgänge, als Schleife. Was die Gewohnheiten des Hundes anging, so war die Sache heikler. Degeneriert, wie Stadthunde waren, wußten sie nicht mehr, wie man das eigene Territorium markiert, und setzten einfach irgendwas irgendwohin, aber natürlich auf der Strecke des Herrchens.
    Es bestand also eine große Chance, daß der Hund erneut an diesem Baumgitter vorbeikam. Hunde lieben Baumgitter, noch mehr als Autoreifen. Aber selbst wenn es ihm gelänge, eine Gruppe von 25 Hundehaltern zu erfassen, wie sollte er es anstellen, ihre Namen und Adressen herauszufinden, ohne einen ganzen Monat damit zu verbringen? Um so mehr, als er nicht mehr sehr gut für Beschattungen war. Mit seinem steifen Bein konnte er nicht mehr so schnell laufen und war leichter erkennbar. Seine Größe machte es nicht besser.
    Er hätte Leute gebraucht, die ihm halfen, aber dafür hatte er keine Kohle mehr. Mit den Spesen des Ministeriums war es vorbei. Er war allein, also sollte er die Sache besser auf sich beruhen lassen. Es hatte ein Stückchen Knochen auf dem Baumgitter gelegen, er brauchte es nur zu vergessen.
    Einen ganzen Teil der Nacht hatte er versucht, sich davon zu überzeugen, die Sache zu vergessen. Sollten sich doch die Bullen darum kümmern. Aber den Bullen war es schnurz. Als ob Hunde jeden Tag Zehen verschlingen würden, die sie danach irgendwo ausschieden. Kehlweiler zuckte mit den Achseln. Ohne Leiche oder Vermißtenmeldung würden sich die Bullen nicht in Bewegung setzen. Und ein kleiner abhanden gekommener Zeh ist keine Leiche. Das ist nur ein kleiner abhanden gekommener Zeh. Aber es kam nicht in Frage, die Sache auf sich beruhen zu lassen. Er sah auf die Uhr. Er hatte gerade noch Zeit, Vandoosler im Bunker zu erwischen.
    Genau in dem Moment, als Marc Vandoosler das Büro verließ, rief Kehlweiler seinen Namen. Marc verkrampfte sich. Was wollte Kehlweiler an einem Samstag von ihm? Normalerweise kam er dienstags vorbei, um den Bericht der Woche abzuholen. Hatte die alte Marthe geredet? Ihm von seinen Fragen erzählt? Rasch spann sich Marc, der den Job nicht verlieren wollte, ein Netz von Verteidigungslügen. Für so etwas war er sehr begabt, sehr flink. Man muß sich schnell verteidigen können, wenn man ein schlechter Angreifer ist. Als Kehlweiler nahe genug war, um sein Gesicht zu erkennen, wurde Marc klar, daß er keinerlei Angriff zu parieren brauchte, und er entspannte sich. Später, am 1. Januar des nächsten Jahres zum Beispiel, würde er versuchen aufzuhören, sich ständig so aufzuregen. Oder im Jahr darauf, jetzt kam es auch nicht mehr drauf an.
    Marc hörte zu und antwortete. Ja, er habe Zeit, ja, einverstanden, er könne ihn eine halbe Stunde begleiten, worum es denn gehe?
    Kehlweiler führte ihn zu einer Bank ganz in der Nähe. Marc hätte sich lieber ins Warme in ein Café gesetzt, aber dieser große Kerl schien eine betrübliche Vorliebe für Bänke zu haben.
    »Sieh dir das an«, sagte Kehlweiler und zog ein zusammengeknülltes Stück Zeitung aus seiner Tasche. »Mach es vorsichtig auf, sieh es dir an und sag mir, was du davon hältst.«
    Louis fragte sich, warum er diese Frage stellte, wo er doch sehr wohl wußte, was er von dem Knochen hielt. Sicherlich, um Marc von exakt demselben Punkt ausgehen zu lassen, von dem er selbst ausgegangen war. Dieser Sprößling von Vandoosler dem Älteren ließ ihn nicht los. Die Berichte, die er ihm geliefert hatte, waren hervorragend. Und in der Geschichte Simeonidis { * } vor einem halben Jahr, zwei ziemlich scheußliche Verbrechen, hatte er sich gut geschlagen. Aber Vandoosler hatte ihn gewarnt: Sein

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