Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Das Orakel von Port-nicolas

Das Orakel von Port-nicolas

Titel: Das Orakel von Port-nicolas Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Fred Vargas
Vom Netzwerk:
Entlastung konnte Louis versichern, daß er immer das Gesicht vor dem Körper musterte.
    Das Gesicht war in Ordnung, aber sehr verschlossen, der Mund ein wenig groß, der Körper angenehm, ohne Übermaß. Sie antwortete mechanisch auf Louis’ Fragen, machte keinerlei Anstalten, ihn am Hereinkommen zu hindern, und bemühte sich nicht um Gastfreundschaft. Vielleicht war sie viel Besuch gewohnt. Wenn er auf ihren Mann warten wolle, ja, das sei möglich, er brauche sich nur dort hinzusetzen, in die große Wohnküche, aber es könne eine Weile dauern.
    Sie legte ein Puzzle auf einem großen Tablett und machte sich wieder an die Arbeit, nachdem sie Louis einen Stuhl angeboten und ein Glas und ein paar Aperitifs vor ihn hingestellt hatte.
    Louis schenkte sich zu trinken ein und sah ihr zu, wie sie das Puzzle legte. Er sah das Puzzle auf dem Kopf, allem Anschein nach stellte es den Tower von London bei Nacht dar. Sie machte sich an den Himmel. Er schätzte sie auf etwa Vierzig.
    »Ist er noch nicht nach Hause gekommen?« fragte er.
    »Doch, aber er ist im Keller mit einer Neuen. Das kann eine halbe Stunde dauern oder länger, dabei darf er nicht gestört werden.«
    »Aha.«
    »Sie sind nicht gerade an einem guten Tag gekommen«, sagte sie seufzend, den Blick auf das Spiel geheftet. »Alles Neue reizt, es ist immer dasselbe. Und dann ist er’s wieder leid und muß sich eine andere suchen.«
    »Gut, gut«, bemerkte Louis.
    »Aber die da beschäftigt ihn womöglich eine ganze Stunde lang. So eine sucht er schon ewig, anscheinend hat er sich jetzt die richtige Nummer geangelt. Aber seien Sie nicht neidisch.«
    »Nicht im geringsten.«
    »Sehr gut, Sie haben einen guten Charakter.«
    Louis schenkte sich ein zweites Glas ein. Es war eher sie, die einen guten Charakter hatte. Ziemlich verschlossen, aber man konnte verstehen, warum. Ihm kam die Idee, ihr zu helfen, ihr Gesellschaft zu leisten, bis ihr Mann fertig wäre. Offen gestanden konnte er das Ganze nicht fassen. Inzwischen hatte er ein kleines Puzzleteil entdeckt, das ihm das richtige Stück zu sein schien, um den Himmel nach links weiterzumachen. Er wagte sich vor und deutete mit dem Finger auf das Teil. Sie nickte und lächelte, es war das richtige.
    »Sie können mir helfen, wenn’s Ihnen Spaß macht. Himmel sind eine schwierige Phase bei Puzzles, aber sie müssen sein.«
    Louis stellte seinen Stuhl um und machte sich Seite an Seite mit ihr an die Arbeit. Er hatte nichts gegen ein Puzzle von Zeit zu Zeit, wenn man’s nicht übertreibt.
    »Wir sollten die dunkelblauen von den mittelblauen trennen«, sagte er. »Aber warum im Keller?«
    »Das habe ich verlangt. Im Keller oder nirgends. Ich will keine Unruhe im Haus, alles hat seine Grenzen. Ich habe meine Bedingungen gestellt, weil er sie überall hinschleppen würde, wenn es nach ihm ginge. Schließlich ist das auch mein Haus.«
    »Natürlich. Kommt das oft vor?«
    »Ziemlich. Das hängt von den Phasen ab.«
    »Wo holt er sie her?«
    »Da, sehen Sie, das Teil da paßt vielleicht eher auf Ihrer Seite. Wo er sie herholt? Jaaa, das interessiert Sie natürlich … Er holt sie sich, wo er sie findet, er hat so seine Kanäle. Er sucht überall, und wenn er sie herbringt, sehen sie ziemlich abgetakelt aus, das können Sie mir glauben. Keiner würde sie haben wollen, aber er hat ein Auge dafür. Das ist der Trick an der Sache, mehr darf ich Ihnen aber nicht dazu sagen. Später, im Keller, sehen sie aus wie richtige Prinzessinnen. Man könnte meinen, mich gibt’s überhaupt nicht mehr.«
    »Das ist nicht gerade sehr lustig«, bemerkte Louis.
    »Eine Frage der Gewohnheit. Könnte das Stückchen hier nicht zufällig da hinten passen?«
    »Doch. Und es paßt mit dem Stückchen dort zusammen. Sind Sie nicht eifersüchtig?«
    »Am Anfang schon. Aber Sie kennen das sicher, es ist schlimmer als eine Manie, eine wahre Obsession. Als ich verstanden habe, daß er nicht darauf verzichten kann, habe ich beschlossen, mich nicht mehr querzustellen. Ich habe sogar versucht, Verständnis aufzubringen, aber offen gestanden begreife ich nicht, was er an ihnen findet, alle gleich, dick, schwerfällig wie Kühe … Na, wenn’s ihm gefällt … Er sagt, ich versteh nichts von Schönheit … Schon möglich.«
    Sie zuckte mit den Achseln. Louis wollte das Thema wechseln, mit der Frau wurde ihm unbehaglich. Ihr Leben jenseits von Revolte und Überdruß schien ihr jegliche Wärme geraubt zu haben. Sie setzten ihr Spiel am Himmel von London fort.
    »Es

Weitere Kostenlose Bücher