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Das Orakel von Port-nicolas

Das Orakel von Port-nicolas

Titel: Das Orakel von Port-nicolas Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Fred Vargas
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Augenblicken dem Bedürfnis zum Opfer fallen, sich zu erregen und offene Fragen voranzubringen. Es gab nichts, was Marc schwerer ertrug, als offene Fragen. Er rutschte auf seinem Stuhl hin und her, dann fragte er Marthe, ob sie eine Nachricht für ihn habe.
    »Keine Nachricht«, antwortete Marthe.
    »Nicht schlimm«, bemerkte Marc, erneut entschlossen, weiter zu schweigen.
    »Aber weißt du was?« begann er von neuem. »Louis will mich als Mann, der läuft, anmustern. Nein, Marthe, dafür bin ich nicht der Typ. Glaub nicht, daß ich nicht rennen könnte, das hat damit gar nichts zu tun. Ich kann sehr schnell rennen, wenn es erforderlich ist, das heißt, schnell genug, vor allem bin ich sehr gut im Klettern. Nicht in den Bergen, nein, das macht mich trübsinnig und langweilt mich, aber an Mauern, Bäumen, Bretterzäunen. Das würdest du nicht glauben, wenn du mich so siehst, nicht wahr? Nun, Marthe, ich bin sehr gewandt, nicht stark, aber sehr gewandt. Man braucht auf der Welt schließlich nicht nur starke Männer, nicht wahr? Weißt du, daß meine Frau mich wegen eines sehr kräftigen Typen verlassen hat? Sehr kräftig, ja, aber er wäre unfähig, gerade auf einem Hocker zu stehen, und außerdem ist der Typ …«
    »Warst du verheiratet?«
    »Warum nicht? Aber das ist jetzt vorbei, also rede mir bitte nicht davon.«
    » Du redest die ganze Zeit davon.«
    »Ja, du hast recht. Ich sagte, daß ich kein Typ für die Armee bin, Marthe, nicht mal für die von Kehlweiler, auch wenn der sehr raffiniert und auf die sanfte Tour anmustert. Ich bin nicht geschaffen, zu gehorchen, Befehle bringen mich aus der Fassung, so was zermürbt mich. Und kriminalistische Ermittlungen kotzen mich an, ich kann nicht verdächtigen. Verstehen, analysieren, schlußfolgern, ja, aber lebende Menschen verdächtigen, unmöglich. Dafür kann ich tote Leute verdächtigen, das ist mein Beruf. Ich verdächtige den Buchhalter des Seigneurs von Puisaye, die Abrechnungen der Ernten zu fälschen, vermutlich prellt er ihn auch bei der Abrechnung der Schafswolle. Aber er ist tot, kapierst du den großen Unterschied? Im Leben verdächtige ich wenig, ich glaube, was man mir sagt, ich habe Vertrauen. Verdammt, ich weiß nicht warum ich rede, ununterbrochen rede ich, ich verbringe mein Leben damit, die Trümmer meines Tuns aufzuzählen, das ermüdet mich und strapaziert die anderen. Nur um dir zu sagen, daß ich als Soldat, als Verdächtigender eine Null bin, das ist alles. Eine Null als starker Mann, als mißtrauischer Mann, als mächtiger Mann, als egal welcher Supermann, der dein Ludwig zu sein scheint. Kehlweiler hin, Kehlweiler her, ich werde nicht in die Bretagne fahren, um den Hund zu spielen, der einem anderen Hund nachrennt. Das hält mich von meiner Arbeit ab.«
    »Du bist hysterisch heute morgen«, sagte Marthe achselzuckend.
    »Aha, du gibst also selbst zu, daß was nicht stimmt.«
    »Du schwätzt zuviel für einen Mann, das schadet deinem Bild. Hör auf meinen Rat, denn ich kenn mich aus mit Männern.«
    »Mein Bild ist mir völlig egal.«
    »Es ist dir egal, weil du es nicht steuern kannst.«
    »Vielleicht. Ändert das was?«
    »Ich werde dir eines Tages erklären, wie du es anstellst, dich beim Schwatzen nicht völlig zu zerfleddern. Du übertreibst es. Also, wenn du dir das nächstemal eine Frau aussuchen willst, dann zeig sie mir doch vorher, ich kenn mich nämlich aus mit Frauen. Ich werde dir sagen, ob sie gut für dich ist, einfach so, ob du übertreibst oder ob du dich hinreißen läßt, das wäre nicht verkehrt.«
    Seltsamerweise mißfiel Marc diese Idee nicht.
    »Wie sollte sie denn sein?«
    »Es gibt keine Regeln, träum nicht von so was. Wir reden darüber, wenn du mir eine bringst. Davon abgesehen, verstehe ich nicht, warum du dich heute morgen so aufregst. Seit einer Viertelstunde erzählst du mir dein Leben, kein Mensch weiß warum.«
    »Ich hab’s dir gesagt. Ich habe nicht die Absicht, mit Louis loszufahren.«
    »Findest du nicht, daß die Arbeit sich lohnen würde?«
    »Aber ja doch, Marthe, verdammt! Und außerdem habe ich diese Arbeit schon mal gemacht.«
    »Ludwig hat gesagt, du hättest dich gut dabei geschlagen.«
    »Ich war nicht allein. Und außerdem geht’s darum gar nicht. Ich bin umzingelt von verkommenen Ex-Bullen oder falschen Richtern, und ich will nicht, daß man mich am Nasenring herumzieht, das habe ich die ganze Woche gemacht, es reicht.«
    »Ganz offensichtlich verstehst du nichts von den anderen, wenn du nur an

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