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Das Orakel von Port-nicolas

Das Orakel von Port-nicolas

Titel: Das Orakel von Port-nicolas Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Fred Vargas
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Schädel gebrochen. Das stand in der Presse. Alle notwendigen Untersuchungen sind von der Gendarmerie von Fouesnant durchgeführt worden. Es gibt keinen Zweifel, es war ein Unfall. Die alte Marie ging immer an diese Stelle, ganz egal, ob es regnete oder stürmte. Es war ihre Strandschneckenecke, sie brachte ganze Säcke voll zurück. Niemand wäre dorthin, um ihr ihre Strandschnecken wegzunehmen, das war ihre Welt. Sie ging wie üblich dorthin, aber an dem Donnerstag regnete es, die Algen waren glitschig, und sie ist gestürzt, allein, im Dunkeln … Ich kannte sie gut, niemand hätte ihr etwas Böses gewollt.«
    Das Gesicht des Bürgermeisters verdüsterte sich. Er erhob sich und lehnte sich schlaff an die Wand hinter seinem Schreibtisch, während er erneut seine Finger umknickte. In seiner Vorstellung neigte sich das Gespräch dem Ende zu.
    »Sie wurde erst am Sonntag gefunden«, fügte er hinzu.
    »Das ist ziemlich spät.«
    »Man hat sich am Freitag noch keine Sorgen über ihre Abwesenheit gemacht, sie hatte frei. Am Samstag mittag hat niemand sie im Café gesehen, da hat man zu Hause und bei ihren Arbeitgebern nach ihr geschaut. Niemand da. Erst da, gegen sechzehn Uhr, hat man angefangen, sie zu suchen, ein bißchen laienhaft, man hat sich nicht wirklich Sorgen gemacht. Niemand hat an den Vaubanstrand gedacht. Seit drei Tagen war ein solches Wetter gewesen, daß man sich nicht vorgestellt hat, sie könne zu den Strandschnecken gegangen sein. Schließlich wurden gegen zwanzig Uhr die Gendarmen von Fouesnant gerufen. Am nächsten Tag, als das Gelände breit durchkämmt wurde, hat man sie gefunden. Der Vaubanstrand ist nicht gerade in der Nähe, er liegt am Ende der Landzunge. Das war’s. Wie ich Ihnen gesagt habe, ist alles Nötige getan worden. Es war ein Unfall. Also?«
    »Also beginnt die Kunst da, wo das Nötige endet. Was ist mit ihrem Fuß? Ist da was bemerkt worden?«
    Chevalier setzte sich mit offenkundiger Gefügigkeit wieder hin, wobei er ihm einen kurzen Blick zuwarf. Es würde nicht leicht sein, Kehlweiler aus dem Büro zu entfernen, und es handelte sich auch nicht um einen Mann, den man ohne Vorsichtsmaßnahmen hinauswarf.
    »Genau das«, sagte Chevalier. »Sie hätten sich Mühe und Wege erspart, wenn Sie mich einfach angerufen hätten. Ich hätte Ihnen gesagt, daß Marie Lacasta gestürzt ist und nichts mit ihren Füßen passiert ist.«
    Louis senkte den Kopf und dachte nach.
    »Wirklich nichts?«
    »Nichts.«
    »Wäre es indiskret, Sie nach dem Untersuchungsbericht zu fragen?«
    »Wäre es indiskret, Sie zu fragen, ob Sie in offiziellem Auftrag hier sind?«
    »Ich bin nicht mehr im Innenministerium«, sagte Louis lächelnd, »und das wußten Sie, nicht wahr?«
    »Ich habe es mir nur gedacht. Sie sind also auf eigene Faust hier?«
    »Ja, nichts verpflichtet Sie, mir zu antworten.«
    »Das hätten Sie mir gleich sagen können.«
    »Sie haben es mich nicht gleich gefragt.«
    »Das stimmt. Gehen Sie und werfen Sie einen Blick in den Bericht, wenn Sie das beruhigt. Fragen Sie meine Sekretärin danach, aber lesen Sie ihn, bitte, ohne ihr Büro zu verlassen.«
    Wieder einmal packte Louis sein Knöchelchen ein, mit dem ganz entschieden niemand etwas zu tun hatte, als wäre es belanglos, daß ein Frauenzeh auf einem Baumgitter in Paris herumlag. Aufmerksam las er den Gendarmeriebericht durch, der Sonntag abend verfaßt worden war. Tatsächlich, nichts über die Füße. Er verabschiedete sich von der Sekretärin und ging zurück in das Büro des Bürgermeisters. Aber der war zum Aperitif ins Café hinübergegangen, wie ihm der junge Mann vom Empfang erklärte.
    Der Bürgermeister unterhielt sich, während er bei einer Partie Billard herumhüpfte, umgeben von einem Dutzend seiner Bürger. Louis wartete, bis sein Stoß danebenging und er seine Serie beendet hatte, um sich ihm zu nähern.
    »Sie haben mir nicht gesagt, daß Marie bei den Sevrans gearbeitet hat«, flüsterte er ihm über die Schulter zu.
    »Inwiefern ist das wichtig?« flüsterte der Bürgermeister seinerseits, den Blick fest auf das Spiel seines Gegners gerichtet.
    »Verdammt noch mal, der Pitbull! Er gehört den Sevrans.«
    Der Bürgermeister sagte ein paar Worte zu seinem Nachbarn, gab ihm sein Queue und führte Louis in eine Ecke des Billardraumes.
    »Monsieur Kehlweiler«, sagte er, »ich weiß nicht, was Sie genau wollen, aber Sie können die Realität nicht verdrehen. Mein Kollege Deschamps hat mir im Senat viel Gutes über Sie erzählt.

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