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Das Orakel von Port-nicolas

Das Orakel von Port-nicolas

Titel: Das Orakel von Port-nicolas Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Fred Vargas
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Und jetzt erlebe ich Sie, wie Sie dabei sind, sich mit einer Sache zu beschäftigen, die ohne jeden Zweifel tragisch ist, aber ohne irgendeine Bedeutung, die das Interesse eines Mannes, wie Sie es sind, hervorrufen könnte. Sie fahren sechshundert Kilometer, um zwei Teile zusammenzufügen, die nicht zusammengehören. Man hat mir gesagt, es sei schwierig, Sie von etwas abzubringen, was nicht unbedingt ein Vorzug ist, aber was tun Sie angesichts einer so eindeutigen Tatsache?«
    Ein bißchen Kritik und ein bißchen Schmeichelei, vermerkte Louis. Kein Mandatsträger hatte ihn je gern auf seinem Territorium gesehen.
    »Im Senat«, fuhr Chevalier schlaff fort, »heißt es auch, es sei besser, Wanzen im Bett zu haben als ›den Deutschen‹ an seinen Schubladen. Verzeihen Sie mir, wenn Sie das brüskiert, aber so redet man über Sie.«
    »Ich weiß.«
    »Man fügt hinzu, daß man dann vorgehen muß wie bei Wanzen, das heißt, Feuer ans Mobiliar legen.«
    Chevalier lachte leise und warf seinem Nachfolger beim Billard einen befriedigten Blick zu.
    »Was mich angeht«, fuhr er fort, »so habe ich nichts zu verbrennen und Ihnen auch nichts zu zeigen, da Sie nicht mehr zum Haus gehören. Ich weiß nicht, ob es die Untätigkeit ist, die Sie zu dieser Beharrlichkeit treibt. Ja, der Pitbull gehört den Sevrans, so wie auch Marie ihnen gehört hat, wenn man so sagen kann. Sie war Lina Sevrans Amme, sie hat sie nie verlassen. Aber Marie ist auf dem Uferstreifen gestürzt, und ihre Füße hat keiner angerührt. Muß ich das wiederholen? Sevran ist ein warmherziger Mann, der für die Gemeinde sehr aktiv ist. Über seinen Hund würde ich nicht soviel Gutes sagen, das unter uns. Aber Sie haben keinerlei Grund und keinerlei Recht, ihn zu bedrängen. Um so mehr, als sein Hund, lassen Sie sich das für Ihr weiteres Vorgehen gesagt sein, seine Zeit damit verbringt, abzuhauen, auf dem Land umherzustreifen und ganze Mülltonnen zu verschlingen. Sie können zehn Jahre lang suchen, bevor Sie herausfinden, wo der Hund das aufgelesen hat, wenn er es denn war.«
    »Spielen wir die Partie zu Ende?« fragte Louis und deutete auf den Billardtisch. »Ihr Gegner scheint das Tuch zu verlassen.«
    »Einverstanden«, sagte Chevalier.
    Jeder nahm Kreide, und Louis begann die Partie, umgeben von dem Dutzend Zuschauer, die kommentierten oder anerkennend schwiegen. Manche gingen, andere kamen, es war viel los im Café. Mitten im Spiel bestellte Louis ein Bier, das schien den Bürgermeister zufriedenzustellen, der nach einem Muscadet verlangte und die Partie schließlich gewann. Chevalier war seit zwölf Jahren in dem Hafenstädtchen, das machte viertausend Billardpartien, so was zählt in einem Leben. Wo sie schon dabeiwaren, lud der Bürgermeister Louis zum Mittagessen ein. Louis entdeckte hinter dem Billardraum einen großen Saal mit etwa fünfzehn Tischen. Die granitenen, vom Kaminfeuer geschwärzten Wände waren kahl. Dieses alte Café mit den hintereinanderliegenden Räumen gefiel Louis immer mehr. Er hätte liebend gern sein Bett in einer Ecke in der Nähe des Kamins aufgestellt, aber wozu, wenn Marie Lacasta mit zwei unversehrten Füßen auf den Felsen gestorben war. Dieser Gedanke verdroß ihn. Er würde nicht finden, was sich am Ende des Knochen befand, den er so sorgfältig aufgesammelt hatte, und doch hatte er, verdammt noch mal, nicht den Eindruck, daß es sich um eine harmlose kleine Geschichte handelte.
    Während sie sich an den Tisch setzten, rief sich Louis Marthes Ratschlag in Erinnerung. Wenn du einen Typen vor dir hast, der unsicher ist, ob er dich zurückweisen oder akzeptieren soll, setz dich ihm gegenüber. Im Profil bist du ungenießbar, schreib dir das hinter die Ohren, aber von vorn hast du gute Chancen, ihn für dich einzunehmen, wenn du dich dann bitteschön noch bemühst, nicht dein Deutschengesicht aufzusetzen. Bei einer Frau machst du dasselbe, aber in geringerer Entfernung. Louis setzte sich dem Bürgermeister gegenüber. Sie redeten über Billard und von da ausgehend über das Café, dann über Kommunalverwaltung, Geschäfte und Politik. Chevalier kam nicht aus der Gegend, er war auf diesen Posten berufen worden. Er fand es hart, ans Ende der Bretagne geworfen worden zu sein, aber er hatte den Ort liebgewonnen. Louis äußerte ihm gegenüber ein paar vertrauliche Informationen, die geeignet waren, ihm zu gefallen. Die gesamte Operation Mittagessen schien Louis zu gelingen, die mißtrauische Trägheit des Bürgermeisters hatte

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