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Das Orakel von Port-nicolas

Das Orakel von Port-nicolas

Titel: Das Orakel von Port-nicolas Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Fred Vargas
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Ehefrau hat tagelange Verhöre über sich ergehen lassen. Sie war im Bett, sie hat gelesen, man hat nichts gegen sie finden können, genausowenig wie gegen Marie Berton, die ebenfalls in ihrem Schlafzimmer war. Die eine hätte sich nicht rühren können, ohne daß die andere es gehört hätte. Keine hat vor dem Unfall, bevor der Mann geschrien hat, ihr Schlafzimmer verlassen. Entweder haben sich die beiden Frauen abgesprochen, oder sie haben die Wahrheit gesagt. Vernehmung auch von Lionel Sevran, der in seinem Hotel schon schlief, und von Diego Lacasta, für den das gleiche gilt, ziemlich weitschweifig, der Kerl, wenn man die vielen Seiten sieht. Warte, ich überfliege es … Lacasta war sehr schwungvoll und hat die beiden Frauen mit Leib und Seele verteidigt. Dann Gegenüberstellung und Lokaltermin eine Woche später. Warte … Der Inspektor vermerkt, daß jeder bei seiner Aussage bleibt, die Frau in Tränen aufgelöst, die Haushälterin ebenfalls, Sevran erschüttert und Lacasta mehr oder minder stumm.«
    »Hattest du nicht gesagt: weitschweifig?«
    »In der Woche zuvor, ja. Der Typ hatte vielleicht genug. Kurz, Selbstmord ausgeschlossen, Mord unwahrscheinlich oder nicht nachweisbar. Das Balkongeländer war sehr niedrig, der Typ hatte viel getrunken. Also Schlußfolgerung auf Tod durch Unfall, Freigabe der Leiche zur Beerdigung und Abschluß des Falls.«
    »Welcher Inspektor hat die Ermittlungen geführt?«
    »Sellier. Er ist nicht mehr da, er ist Hauptmann geworden.«
    »Im 12. ja, ich weiß. Danke, Nathan.«
    »Hast du eine Fortsetzung zu der Geschichte?«
    »Zwei Eheschließungen, ein Vermißter und eine Tote. Was denkst du darüber?«
    »Daß das nicht gerade normal ist. Ich wünsch dir einen guten Fang, Ludwig, aber paß auf. Du hast niemanden mehr hinter dir. Stell es geschickt an und folge den Ratschlägen friedlicher Gelassenheit, die deine Kröte dir gibt, aufs Wort. Ich kann es dir nicht besser sagen.«
    »Ich werd sie für dich umarmen und umarme deine Töchter.«
    Louis lächelte beim Auflegen. Nathan hatte sieben herrliche Töchter gezeugt, eine Großtat wie aus einem Märchen, die ihn immer bezaubert hatte.
    Sellier war seinem Büro entflohen. Louis traf ihn zu Hause an.
    »Also ist dieses Stückchen Knochen ein Mord«, sagte Sellier, nachdem er sich Louis’ Bericht aufmerksam angehört hatte. »Und die Akteure in der Sache Marcel Thomas sind vor Ort?«
    Sellier redete zögernd, wie jemand, der sich die Zeit nimmt, sich die Vergangenheit systematisch wieder ins Gedächtnis zu rufen.
    »Guerrec leitet hier die Ermittlungen. Kennen Sie ihn?«
    »Ein wenig. Ziemlich nervig, nicht sehr redselig, nicht heiter, aber ohne krumme Absichten, soweit ich weiß. Aber auch ohne Wunder. Wunder bewirke ich auch nicht.«
    »Gab es während der Vernehmungen im Fall Marcel Thomas nichts irgendwie Besonderes?«
    »Ich versuche, mich zu erinnern, aber mir fällt nichts ein. Sollte es ein Mord gewesen sein, dann hätte ich gewaltig danebengelegen. Aber es gab wirklich keinerlei Anlaß.«
    »Hätte sich eine der beiden Frauen leise bis zum Balkon begeben können?«
    »Sie können sich ja denken, daß ich das überprüft habe. Es war ein altes Fischgrat-Parkett, ich sehe es jetzt wieder genau vor mir, dieses verdammte Parkett. Nicht ein Fleckchen, wo es nicht knarrte. Wenn eine der beiden getötet hat, dann mit Wissen der anderen, es gibt keine andere Lösung.«
    »Und nachdem Sevran und Lacasta aufgebrochen waren, haben sie niemanden mehr im Haus empfangen?«
    »Niemanden, das ist ausdrücklich festgestellt worden.«
    »Wie kommt es, daß Sie sich so gut an die Geschichte erinnern?«
    »Oh … Wegen der Zweifel. Zweifel bleiben im Leben hängen. Es gibt haufenweise Fälle, wo ich die Mörder erwischt habe, die Fälle waren abgeschlossen und sind aus meinem Kopf verschwunden, um anderen Platz zu machen. Aber die, bei denen Zweifel im Spiel waren, drängeln sich alle in einer Ecke.«
    »Wie kam es zu den Zweifeln?«
    »Durch Diego Lacasta. Er hat innerhalb von sieben Tagen eine völlige Kehrtwendung gemacht. Ein herzlicher und geschwätziger Kerl, der sich wie ein leidenschaftlicher schöner Spanier gebärdete, um die beiden Frauen reinzuwaschen, vor allem die Haushälterin. Es wundert mich nicht, daß er sie geheiratet hat, er liebte sie, das sprang einem sofort ins Auge. Und als er dann mit seinem Chef eine Woche später zum Lokaltermin wiederkam, schwieg er wie ein düsterer und stolzer schöner Spanier. Er verteidigte

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