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Das Paket mit dem Totenkopf

Das Paket mit dem Totenkopf

Titel: Das Paket mit dem Totenkopf Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Stefan Wolf
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er,
hellblond, mit wässerigblauen Augen und wachsgelber Haut. Aus dem mageren
Gesicht stachen die Backenknochen hervor. Schwarze Schatten — groß wie
Fünfmarkstücke — lagen unter den Augen. Auf der Stirn glitzerte kalter Schweiß
in dicken Perlen. Auf der Oberlippe stand ein Schnurrbart aus Schweiß. Schweiß
sickerte aus den Haaren und lief dem Jungen am Hals herunter.
    „Frank?“ fragte Tarzan
unsicher.
    „Bitte, Tarzan, gib mir zehn
Mark. Ich brauch’s. Ich bin wahnsinnig auf Turkey.“
    „Frank Weyler?“ fragte Tarzan,
immer noch unsicher.
    „Klar, Mann! Wer sonst! Kriege
ich das Geld? Du bist doch auch... He, ich meine...“
    Er sprach nicht weiter. Seine
Haut zeigte plötzlich einen grünlichen Ton.
    Frank Weyler, dachte Tarzan.
Das darf nicht wahr sein! Um Himmels willen! Den hätte ich kaum erkannt. Frank
Weyler, ein Jahr älter als ich. Voriges Jahr waren wir in derselben Klasse. Zum
zweiten Mal hat er die achte gemacht. Aber dumm war er nicht. Nur — faul.
Abgegangen ist er dann. Weil’s sein Stiefvater wollte. Hat eine Lehre
angefangen und... Wie sieht er nur aus? Der ist ja nur noch ein Hauch von
damals. Und was meint er mit Turkey?
    „Frank! Jetzt erkenne ich dich
erst. Was ist denn mit dir los? Bist du krank?“
    „Krank? Quatsch! Keine Spur.
Ich bin auf Turkey und...“
    „Was ist Turkey?“
    Der Junge machte Augen wie
Untertassen. „O verdammt!“ wimmerte er. „Ich dachte, du wärst einer von uns.
Gibst du mir trotzdem zehn Mark?“
    „Was ist Turkey?“
    „Ist doch egal. Ich brauche
ganz schnell...“
    „Frank! Hat dich das Rauschgift
so zugerichtet? Bist du ein Fixer? Mann!“ Tarzan packte ihn bei den Oberarmen,
die sich unter der Jacke dünner als Stuhlbeine anfühlten. Heftig schüttelte er
die jämmerlich magere Gestalt. „Was denkst du dir denn? Du richtest dich zu
Grunde.“
    „Ach, laß mich.“
    Frank versuchte, sich aus
Tarzans Griff zu befreien. Aber dazu reichte seine Kraft nicht. Schlaff ließ er
den Kopf hängen.
    „Frank, rede! Was ist mit dir?“
    „Ich... ich drücke mir ab und
zu einen Schuß rein. Das ist es. Und jetzt bin ich auf Turkey.“
    „Du meinst, du liegst am Boden
und brauchst wieder was, um auf die Beine zu kommen.“
    Der Junge nickte. „Auf Turkey
ist man, wenn man ganz schnell was braucht. Das ist wie Entzug.“
    „Frank, dann bist du süchtig.“
    „Quatsch! Ich bin nicht
süchtig. Ich... Ach, laß mich in Ruhe. Kriege ich die zehn Mark?“
    „Was nimmst du?“
    „H. Das andere ist Kinderkram.“
    „H ist Heroin?“
    „Du hast wohl noch nie gefixt?
Ach so, du bist ja der große Sportler, der keine Zigarette anrührt und kein
Bier trinkt. Für dich ist H nicht drin, wie?“
    Tarzan sagte nichts. Es wäre
eine billige Genugtuung gewesen. Und diesem Jungen, der voriges Jahr sein
Klassenkamerad gewesen und jetzt ein Rauschgiftwrack war, hätte es nichts
genützt. Tarzan sah ihn an, und das Mitleid stieg wie eine Woge in ihm hoch. Für
einen Moment schnürte es ihm die Kehle zu. Ihm war, als hielte er mit seinem
harten Griff einen Sterbenden aufrecht — einen 14jährigen, der schon vor dem
Ende stand.
    „Ich habe kein Geld bei mir“,
log Tarzan. „Aber wenn du mitkommst, kriegst du was. Ich treffe Klößchen und
Karl.“
    „Und die haben Geld?“
    „Mehr als zehn Märker. Aber du
mußt mitkommen.“
    Frank nickte. Zehn Mark fehlten
noch. Dann hatte er das Geld für neues Heroin beisammen. Dafür hätte er jetzt
alles getan.
    Nur raus hier mit ihm! dachte
Tarzan. Erstmal raus hier, dann weitersehen. Unauffällig raus! Wenn Frank
verrückt spielt, habe ich Lembke und Toni auf dem Hals. Das würde alles
vermasseln.
    Sie gingen hinaus — durch den
Gang, durch die Disko, durch den Vorraum ins Freie. Tarzan hatte Frank am Arm
gefaßt. Aber es sollte nicht aussehen, als führe er ihn ab. Deshalb redete er
freundlich auf ihn ein, belangloses Zeug. Frank nickte dazu, schwitzte aus
allen Poren, zitterte aber gleichzeitig vor innerer Kälte. Seine Haltung
drückte aus, daß er sich nicht mehr lange auf den Beinen halten konnte.

    Als sie auf der Straße waren,
sagte Tarzan: „Ich muß Karl und Klößchen kurz anrufen, damit wir uns irgendwo
treffen. Wo?“
    „In meiner Bude, ja.
Burghofstraße 11, 3. Stock. Aber sie sollen sich beeilen. Wenn ich meinen
Stammdealer nicht bis zehn Uhr antreffe, kriege ich kein H mehr.“
    „Gut. Hast du Telefon?“
    „Nee.“
    Vor der Drugstore-Bar war eine
Telefonzelle. Tarzan rief bei Gaby an. Karl und

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