Das Paradies am Fluss
davon hören. Dann soll doch Guy nach Hause kommen und die Arbeit hier machen, und Mark kann in den Ruhestand gehen, wie er es vorhatte. Genau das will Gemma, doch sie stecken in einer Sackgasse, und Gemma hat jetzt beschlossen, mit der Brechstange einen Ausweg daraus zu suchen. Es ist ein großes Risiko, aber ich finde, sie hat ganz recht. Die Drohung mit Scheidung hat nicht gefruchtet, deswegen ist sie einfach weggegangen. Doch ich glaube nicht, dass sie die Scheidung wirklich will. Sie hofft, dass Guy ihnen bald nach Hause folgt.«
»Was weißt du schon davon?« Tom ist immer noch ärgerlich, aber er hört ihm zu. Obwohl er es nie zugeben würde, wünscht er sich, Oliver hätte recht.
»Ach, ich weiß, ich war noch nie verheiratet. Doch ich kenne Guy und meine Schwester ziemlich gut, und ich finde, es lohnt sich, der Sache Zeit zu lassen. Warum seht ihr es nicht als langen Urlaub an? Wenn ihr jetzt anfangt, Gemma über ihre Zukunft ins Kreuzverhör zu nehmen, gerät sie in Panik, schmiedet vielleicht andere Pläne, und dann tauchen möglicherweise neue Komplikationen auf.«
»Ich bin mir sicher, dass er recht hat, Tom«, sagt Cass schnell. »Ich finde auch, dass sich das Abwarten lohnt. Wir haben schließlich nichts zu verlieren.«
Tom schnaubt verächtlich. »Bis auf Geld. Denkt an die Kosten, die es verursacht, zusätzlich drei Personen auf unbestimmte Zeit zu unterhalten!« Er wirft Oliver einen Blick zu. Am liebsten hätte er »vier Personen« gesagt, aber wenn Oliver sie besucht, beteiligt er sich sehr großzügig an den Haushaltsausgaben, sodass Tom ihm diesen Vorwurf nicht machen kann. Oliver grinst ihn an.
»Und das von deiner Pension «, setzt er hinzu, einer von Toms Lieblingsausdrücken. »Ich werde Gemma unterstützen, und ihr kümmert euch um Ben und Julian. Das ist doch fair, oder?«
Cass lacht los. »Alle zusammen schaffen wir das bestimmt. Dann ist das also abgemacht. Keine Fragen, keine Entscheidungen.«
»Und was ist mit Kate?«, wendet Tom ein, der das Schlachtfeld nicht verlassen will, ohne wenigstens einen letzten kleinen Sieg einzufahren. »Ich finde immer noch, dass es zu viel von ihr verlangt ist, hierherzukommen, obwohl sie weiß, dass Gemma Guy verlassen hat.«
»Sehe ich genauso«, sagt Oliver. »Ich meine, für den Anfang sollte Gemma Kate mit den Zwillingen in der Chapel Street besuchen. Nach dem ersten Treffen wird es sicher leichter.«
Zwei Tage später kehrt Gemma von ihrem Besuch in Tavistock zurück. Das Wiedersehen mit Kate liegt hinter ihr, und sie fühlt sich schuldbewusst und erleichtert zugleich. Jetzt ist sie froh darüber, die Zwillinge im Pfarrhaus gelassen zu haben. Wenn Ben und Julian in Hörweite gewesen wären, hätten Kate und sie unmöglich im Vertrauen miteinander reden können. Jedes Mal, wenn Gemma an ihre Söhne denkt, zieht sich angesichts des großen Risikos, das sie eingeht, vor Angst alles in ihr zusammen. Sie kann sich ihr Leben unmöglich ohne Guy vorstellen; und wie in aller Welt könnte sie ihren neunjährigen Zwillingen erklären, dass Daddy doch nicht nachkommt? Aber gleichzeitig konnte sie auch diese schreckliche Situation nicht länger ertragen.
Bei dem Gedanken an Guy in Kanada, der wütend darüber ist, dass sie einfach die Jungs genommen hat und gegangen ist, möchte Gemma am liebsten weinen. Er kam von einer zweitägigen Reise zurück, auf der er ein Boot ausgeliefert hat, und hat zu Hause ihren Brief vorgefunden. Doch er wird wissen, warum sie gegangen ist. Sie hat geredet, erklärt, gefleht, mit Scheidung gedroht, aber er hat einfach nicht reagiert. Sogar jetzt tut er noch, als wäre nichts. Sie hat ihm SMS geschrieben, doch er hat nicht geantwortet. Offensichtlich ist er sehr zornig. Sie sehnt sich verzweifelt danach zu erfahren, wie es ihm geht, aber ein Instinkt rät ihr, einstweilen stillzuhalten und zu warten. Guy war noch nie jemand, dem es leichtfiel, Gefühle zu zeigen, doch in letzter Zeit ist das viel schlimmer geworden. Es ist, als verwandelte er sich in seinen Vater und würde distanziert, zynisch und sarkastisch wie er. Gemma schüttelt den Kopf und erschauert ein wenig. Bald könnte das ernstere Auswirkungen auf die Zwillinge haben, und das kann sie einfach nicht hinnehmen. Und, genauso wichtig, es ist nicht gut für Guy, so zu sein. Es geht nicht nur um sie und die Jungs, sondern auch um Guy. Sie muss ihn einfach nach Hause holen, und sie hat in ihrer Verzweiflung alles auf diese eine Karte gesetzt: ihren plötzlichen
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