Das Paradies am Fluss
sehr vorsichtig sein.«
Rowena erinnert sich an die Woche, die Juliet bei ihnen als Hausgast verbracht hat, während Mike auf See war. Wie sie sich am Fluss entlang zur Segelwerkstatt davonschlich und dann, ein wenig später, Als schattenhafte Gestalt, die ihr folgte.
Und, am wichtigsten, die Mittsommerparty im Seegarten. Lichtreflexe flirren und hüpfen auf der glatten schwarzen Wasseroberfläche; schattenhafte Gestalten tanzen oder lehnen sich an die Balustrade unterhalb der imposanten Circe-Statue. Die hohen Lavendelhecken sind blasse, wolkenhafte Umrisse, deren Duft noch in der warmen Luft verweilt.
Das Wispern hinter dem Sommerpavillon. Die erste Stimme klingt drängend, fordernd, die andere verängstigt.
Juliets Kleid ist zerdrückt, ihr Haar aufgelöst. Al vergräbt das Gesicht an ihrem Hals, aber sie hat ihr Gesicht von ihm abgewendet und die Hände auf seine Schultern gelegt.
»Hör mir zu«, sagt sie jetzt, immer noch in diesem verzweifelten Flüsterton. »Bitte hör mich einfach an! Ich bin schwanger, Al. Um Gottes willen, hör mir zu …«
Und dann, das letzte kleine Glied in der langen Kette, die Rowena mit der Vergangenheit, mit Al, verbindet. Der Brief von ihrer Freundin in Australien.
… keine weiteren Kinder bekommen. Es sieht aus, als ob der arme alte Mike Platzpatronen verschießt …
Es muss schwer für Mike gewesen sein zuzusehen, wie Juliets Sohn, je älter er wurde, immer stärker Al ähnelte. Kein Wunder, dass sie gestritten haben und Patrick Australien verlassen hat, sobald er alt genug war, und in England zur Armee gegangen ist.
Rowena wirft sich unruhig hin und her und begehrt gegen ihre körperliche Schwäche auf. Sie darf immer wieder kurz aufstehen, um in ihrem Stuhl am Fenster zu sitzen, und bald wird sie darauf bestehen, nach unten zu gehen. Johnnie macht natürlich einen Aufstand – er ist schon immer genauso ein Schwarzmaler gewesen wie sein Vater –, doch es wird nicht mehr lange dauern, bis sie stark genug ist, um ihm ihren Willen aufzuzwingen.
Jess hat sie natürlich hier oben besucht, aber jedes Mal sind entweder Sophie oder Johnnie in der Nähe herumgeschlichen, sodass Rowena nicht offen mit dem Mädchen sprechen konnte. Sie muss mit Jess allein sein, und dieses Mal darf es keine Verwirrungen oder Halbwahrheiten mehr geben. Sie hat sofort gesehen, dass Jess Al erkannt, dass sie die Ähnlichkeit zwischen Al und ihrem eigenen Vater bemerkt hat. Rowena spürt den vertrauten, schmerzhaften Stich im Herzen. Wie tragisch, dass beide so jung gestorben sind! Und wie grausam, dass sie Als Sohn nie kennengelernt hat!
Als Sohn. Mit einem tiefen, zufriedenen Seufzer lehnt Rowena sich entspannt in ihre Kissen. Er hatte einen Sohn – und jetzt ist seine Enkelin hier, Jess, die ihrerseits vielleicht weitere Söhne bekommen wird. Eine leichte Besorgnis mischt sich in Rowenas Schläfrigkeit und stört ihr Behagen. Sie runzelt die Stirn. Sie müssen irgendwie Vorsorge für Jess treffen. Wenn Als Sohn noch am Leben wäre, würde dieses Haus und alles, was darin ist, ihm gehören, nicht Johnnie.
Rowena kämpft mit diesem Gedanken, doch plötzlich ist sie zu müde, zu schwach, um ihn weiterzuverfolgen. Später wird sie noch einmal darüber nachdenken und entscheiden, wie man Jess entschädigen kann.
Als sie erwacht, ist es später Nachmittag, und das Zimmer ist voller Schatten. Vom Seegarten her hört sie die Jungen rufen und lachen, und ihr Mund verzieht sich bei dem Gedanken, dass sie dort spielen, zu einem Lächeln. Sie muss aufstehen und zu ihnen hinuntergehen. Rowena hebt den Kopf, der sich schwer anfühlt, so schwer, dass ihr Hals ihn nicht tragen kann, und lässt sich mit einem leisen Keuchen zurücksinken. Sie runzelt die Stirn und versucht, sich an etwas zu erinnern, an das sie vorher gedacht hat. Da ist etwas, das in Ordnung gebracht werden muss, bevor es zu spät ist.
Langsam, ganz langsam und mühevoll, richtet sie sich auf, zwingt sich in eine sitzende Haltung und schwingt die Beine über die Bettkante. Wie müde sie ist! Eine Weile sitzt sie auf dem Bettrand und sammelt ihre Kräfte. Jetzt weiß sie es wieder; sie ist krank gewesen. Erinnerungen huschen durch ihren Kopf wie Fledermäuse in der Dunkelheit, und die ganze Zeit hindurch hört sie die Kinder lachen.
Unter Schmerzen steht sie auf und schlurft durch das Zimmer zu dem hohen Schiebefenster. Sie klammert sich an den Vorhang und sieht hinunter. Die Jungs sind da, sie kann sie spielen sehen, während die Circe
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