Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Das Paradies der Damen - 11

Das Paradies der Damen - 11

Titel: Das Paradies der Damen - 11 Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Émile Zola
Vom Netzwerk:
geben wollen. Das war doch mehr als genug. Er wollte ja geben, was man verlangte; aber man sollte ihn sein Werk vollenden lassen!
    Sie hörte ihn mit niedergeschlagenen Augen an und fand keine anderen Gegenargumente, als die das Herz ihr eingab: der gute Mann war so alt, man konnte doch seinen Tod abwarten; ein Bankrott jedenfalls wäre sein Ende. Er entgegnete, er habe die Sache nicht mehr in der Hand, Bourdoncle beschäftige sich damit; die Herren hätten übereinstimmend beschlossen, ein für allemal ein Ende zu machen.
    Nach kurzem Schweigen kam Mouret auf die Familie Baudu zu sprechen. Er beklagte zunächst den Tod ihrer Tochter. Sie seien gute, rechtschaffene Leute, leider vom Schicksal verfolgt. Dann kam er wieder auf seine alte Ansicht zurück: sie seien im Grund an ihrem Unglück selber schuld; man dürfe sich nicht so eigensinnig in die alten, längst wurmstichig gewordenen Handelsbräuche verbohren. Es sei gar kein Wunder, daß das Haus ihnen über dem Kopf einstürze, er habe es zwanzigmal vorausgesagt. Es könne doch vernünftigerweise niemand von ihm verlangen, daß er sich ruiniere, nur um das Stadtviertel zu schonen! Übrigens, selbst wenn er so töricht gewesen wäre, das »Paradies der Damen« zu schließen, so wäre sofort an seiner Statt ein anderes großes Kaufhaus aus dem Boden geschossen, denn der Gedanke lag nun mal in der Luft. Er redete sich allmählich warm und wurde immer eifriger in seinem Bestreben, sich gegen den Haß seiner unbeabsichtigten Opfer zu verteidigen, gegen das Geschrei der zugrunde gehenden kleinen Geschäfte, das er rings um sich zu vernehmen glaubte. Nein, er fühle keine Gewissensbisse, er sei einfach das Werkzeug seines Zeitalters. Sie hörte ihm lange zu und zog sich dann schweigend mit beklommenem Herzen zurück.
    Diese Nacht konnte Denise nicht schlafen. War es denn wirklich so, daß die einen untergehen mußten, damit die anderen leben konnten? War dieser ewige Kampf unvermeidlich? Mein Gott, wieviel Leid! Und sie konnte niemanden retten, ja sie hatte das Bewußtsein, daß all dieses Elend notwendig sei, um das Paris der Zukunft gesund zu erhalten!
    Als der Tag anbrach, wurde sie ruhiger, eine tiefe, ergebene Traurigkeit hatte sie erfaßt. Sie sann nur mehr nach, wie sie die Ihren vor dem allgemeinen Ruin bewahren konnte.
    Nun stieg das Bild Mourets vor ihr auf. Er würde ihr sicherlich nichts verweigern, ihr jede vernünftige Hilfe gewähren. Dann schweiften ihre Gedanken ab, sie suchte sich über ihn klar zu werden. Sie kannte sein Leben, sie wußte von seinen früheren nüchternen Liebschaften aus Berechnung, von der überlegten Ausbeutung der Frau; sie wußte, daß er sich Geliebte genommen hatte, die ihm den Weg bahnen sollten; sie wußte, daß er mit Frau Desforges ein Verhältnis angeknüpft hatte, allein zu dem Zweck, Baron Hartmann zu gewinnen; sie kannte auch alle übrigen: die Claires und die verschiedenen Schauspielerinnen, all die Vergnügungen, die er sich erkauft hatte, um gleich darauf einer wie der anderen den Laufpaß zu geben. Allein diese Anfänge eines Abenteurers der Liebe, über die das ganze Geschäft sich lustig machte, traten doch schließlich zurück hinter dem geistreichen Wesen dieses Mannes, hinter seiner überwältigenden Liebenswürdigkeit. Er war die Verführung selbst. Niemals hätte sie ihm seine frühere Verstellungskunst vergeben, die Kälte des Liebhabers unter der galanten Maske der Zuvorkommenheit. Heute aber, da er um sie litt, zürnte sie ihm nicht mehr. Durch dieses Leiden stieg er in ihren Augen. Wenn sie ihn so zerquält fand, wenn sie sah, wie er seine frühere Verachtung für die Frauen schwer büßte, erschien ihr das wie eine Sühne für seine Fehler.
    Am Morgen gelang es Denise, von Mouret alle Hilfe zugesagt zu erhalten, die sie am Tag, da die Familie Baudu und der alte Bourras unterliegen mußten, für richtig halten würde. Wochen vergingen, sie besuchte fast täglich ihren Onkel, um den düsteren Laden für einige Minuten aufzuheitern. Sie war besonders beunruhigt über den Zustand ihrer Tante; seit Genevièves Tod saß sie in dumpfem Brüten da, man konnte geradezu sehen, wie sie von Tag zu Tag mehr dahinwelkte. Wenn man sie fragte, antwortete sie mit erstaunter Miene, ihr fehle nichts, sie sei bloß so müde. Im Stadtviertel schüttelte man traurig den Kopf; die Arme würde sich nicht mehr lange nach ihrer Tochter sehnen.
    Als eines Tages Denise eben von den Baudus kam, hörte man auf der Place Gaillon ein

Weitere Kostenlose Bücher