Das Paradies der Damen - 11
hatte tags zuvor bei Hutin im geheimen den ersten Schritt unternommen, aber er machte sich nicht viel Hoffnung und suchte daher Denise, deren Einfluß ihm ohne Zweifel bekannt war, für sich zu gewinnen.
»Mein Gott, es ist, wie Sie selbst damals sagten: Wir Fabrikanten müssen uns durch bessere Organisation und neue Verfahren dem Fortschritt anschließen. Dann wird sich alles regeln; Hauptsache, daß das Publikum zufrieden ist.«
Denise erwiderte lächelnd:
»Sagen Sie dies alles Herrn Mouret selbst, Ihr Besuch wird ihn freuen. Er ist nicht der Mann, Ihnen etwas nachzutragen, wenn Sie ihm nur einen Vorteil von einem Centime bieten.« –
An einem hellen, sonnigen Nachmittag im Januar starb Frau Baudu. Schon seit vierzehn Tagen hatte sie nicht mehr in den Laden hinuntergehen können. Sie saß in ihrem Bett, auf allen Seiten durch Kissen gestützt. Nur die Augen in ihrem blassen Gesicht verrieten noch Leben, und diese Augen waren unablässig auf das »Paradies der Damen« gegenüber gerichtet. Baudu, der selbst unter diesem Bann litt, wollte manchmal die Vorhänge herablassen. Allein sie bat ihn, es nicht zu tun, sie wollte eigensinnig bis zu ihrem letzten Atemzug dieses Schauspiel vor sich haben. Das Ungeheuer hatte ihr alles genommen, ihr Haus, ihr Kind, und sie selbst schwand Zug um Zug mit ihrem alten Geschäft dahin. Als sie fühlte, daß das Ende herannahte, bat sie ihren Mann, beide Fenster weit zu öffnen. Es war mildes Wetter, die Sonne vergoldete mit ihren Strahlen das »Paradies der Damen«, während das Zimmer in dem alten Haus der Baudus im kühlen Schatten lag. Frau Baudu starrte auf dieses Triumphgebäude hinüber, hinter dessen hellen Spiegelscheiben sich die Menschen stauten. Ihre Augen wurden glanzlos, die Finsternis senkte sich auf sie herab, und als sie im Tod erloschen, blieben sie weit offen, immer noch auf den Gegner gerichtet.
Wieder sah man den ganzen Kleinhandel des Stadtviertels in dem Trauerzug. Und hinter dem Leichenwagen schritt Baudu mit dem gleichen schwerfälligen, gemessenen Gang einher, mit dem er seine Tochter hinausgeleitet hatte. –
Denise war in letzter Zeit sehr bekümmert. Sie hatte Pépé in ein Internat geben müssen, denn Frau Gras hatte erklärt, sie könne den Jungen nicht länger behalten, er sei nun zu groß. Außerdem machte Jean ihr viel Schererei; er war dermaßen verliebt in die Nichte eines Konditors, daß er seine Schwester gebeten hatte, für ihn um deren Hand anzuhalten. Dann kam der Tod der Tante. Diese Schläge drückten das arme Mädchen zu Boden. Mouret hatte sich ihr abermals zur Verfügung gestellt und erklärt, daß er alles im vorhinein gutheiße, was sie für ihren Onkel und ihre übrigen Verwandten tun wolle. Eines Morgens hatte sie wieder eine Unterredung mit ihm, nachdem sie erfahren hatte, daß Bourras auf die Straße gesetzt worden war und Baudu im Begriff sei, den Laden zu schließen.
Nach dem Essen ging sie fort in der Hoffnung, wenigstens diesen beiden einen Trost bringen zu können. Bourras stand in der Rue de la Michodière auf dem Bürgersteig, seinem Haus gegenüber, aus dem man ihn tags zuvor vertrieben hatte. Es war ein hübscher Streich, den Mourets Rechtsanwalt da ersonnen hatte. Da Mouret mehrere Zahlungsverpflichtungen des Alten aufgekauft hatte, war es ihm schließlich ein leichtes gewesen, den Schirmhändler zum Konkurs zu treiben und bei einem Zwangsverkauf den Mietvertrag für fünfhundert Franken an sich zu bringen; so hatte der eigensinnige Alte für fünfhundert Franken hergeben müssen, was er kurz vorher nicht für hunderttausend hatte herausrücken wollen. Man hatte übrigens den Polizeikommissar holen müssen, um ihn hinauszuwerfen. Die Bestände waren verkauft, die Zimmer geräumt, er aber blieb hartnäckig in dem Winkel, wo er seine Schlafstätte hatte und aus dem man ihn aus Mitleid noch nicht verjagt hatte. Die Arbeiter gingen daran, ihm das Dach über dem Kopf abzudecken. Man riß die mit Moos überzogenen Ziegel heraus, die Decken stürzten ein, die Mauern krachten, er aber blieb. Erst als die Polizei kam, ging er endlich seines Weges. Doch schon am folgenden Morgen war er wieder auf dem Bürgersteig gegenüber erschienen, nachdem er die Nacht in einem benachbarten Hotel zugebracht hatte.
»Herr Bourras!« sagte Denise in sanftem Ton.
Er hörte sie erst gar nicht, seine flammenden Blicke verschlangen die Abbrucharbeiter, deren Spitzhacken die Fassade des armseligen Bauwerks in Angriff nahmen. Durch die leeren
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