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Das Paradies der Damen - 11

Das Paradies der Damen - 11

Titel: Das Paradies der Damen - 11 Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Émile Zola
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dieser Schicksalsschläge vorgezogen, sich zu vergleichen. Wenn alles bezahlt war, saß der Onkel ganz einfach auf der Straße.
    »Aber was werden Sie dann tun?« murmelte sie, um einen Übergang zu dem Anerbieten zu finden, das sie nicht auszusprechen wagte.
    »Ich weiß nicht«, sagte er. »Man wird mich wohl irgendwo auflesen.«
    »Hören Sie, Onkel«, stotterte Denise endlich verlegen, »es gäbe vielleicht eine Inspektorstelle für Sie …«
    »Wo denn?« fragte Baudu.
    »Mein Gott, drüben bei uns; sechstausend Franken und keine anstrengende Arbeit.«
    Er blieb plötzlich vor ihr stehen; aber anstatt böse zu werden, wie sie befürchtet hatte, war er vor schmerzlicher Erregung blaß geworden.
    »Drüben, drüben?« stammelte er wiederholt. »Du willst, daß ich drüben eintrete?«
    Denise war selbst tief bewegt. Sie sah im Geist den langen Kampf der beiden Geschäfte vor sich, sie meinte wieder am Leichenzug ihrer Kusine Geneviève und ihrer Tante teilzunehmen, sie stand hier in diesem Geschäft, dem das »Paradies der Damen« den Garaus gemacht hatte. Und der Gedanke, daß ihr Onkel nun drüben als Inspektor sein Leben beschließen sollte, drückte ihr das Herz ab.
    »Wäre so etwas möglich, Denise, mein Kind?« sagte er einfach, während er seine zitternden Hände ineinanderlegte.
    »Nein, nein, Onkel«, rief sie in einer Aufwallung ihres gütigen und gerechten Wesens. »Das wäre schlimm; verzeihen Sie mir bitte!«
    Sie ging, und er nahm seinen Weg durch das leere, grabesstille Haus wieder auf.
    Denise verbrachte abermals eine schlaflose Nacht. Sie hatte ihre Ohnmacht eingesehen, selbst den Ihren konnte sie keine Hilfe bringen. Sie mußte dem Leben seinen Lauf lassen. Ergeben schickte sie sich drein, sie wehrte sich nicht länger, aber ihr weiches Herz war von unendlichem Mitgefühl mit all den Leidenden erfüllt. Seit Jahren befand sie sich selbst zwischen den Zahnrädern der Maschine. Hatte nicht auch sie dabei gelitten, war nicht auch sie gequält, verhöhnt, herumgestoßen worden? Mouret hatte dieses ungeheure Triebwerk geschaffen, er hatte das ganze Stadtviertel mit Ruinen übersät, die einen geplündert, die anderen umgebracht. Und sie liebte ihn dennoch, gerade um der Größe seines Werkes willen.
     

Vierzehntes Kapitel
    Nagelneu dehnte sich in der klaren Februarsonne die Rue du Dix-Décembre mit ihren kreideweißen Häusern und den letzten Gerüsten einiger verspäteter Neubauten. Eine Flut von Wagen fuhr wie im Triumph durch diese breite, lichte Bresche, die in das alte Stadtviertel von Saint-Roch geschlagen war. Zwischen Rue de la Michodière und Rue de Choiseul ballte sich die Menge, deren Neugier seit einem Monat durch die ständige Reklame aufgestachelt worden war; man drängte sich vor der monumentalen Fassade des »Paradieses der Damen«, die an diesem Montag anläßlich der großen Weißwarenausstellung eingeweiht wurde.
    Sie bot ein großzügiges, farbenprächtiges Bild, das wie eine riesige, leuchtende Auslage die Blicke der Vorübergehenden anzog. Das Erdgeschoß war mit Absicht einfacher gehalten, damit es die Wirkung der Waren in den Schaufenstern nicht beeinträchtigte: ein Sockel aus grünem Mamor, Eck- und Stützpfeiler mit schwarzem Marmor verkleidet, im übrigen nichts als eine endlose Reihe von Glasscheiben, die dem Beschauer gleichsam das ganze Haus im offenen Tageslicht darboten. Erst die oberen Stockwerke waren mit einer Vielfalt von Mosaiken und den vergoldeten Stadtwappen Frankreichs geschmückt, bis hinauf zum Giebel, an dem eine Reihe von Statuen die großen Industriestädte des Landes darstellte. Über dem Haupteingang aber, der sich wölbte wie ein Triumphbogen, erhob sich als besonderer Anziehungspunkt für die Menge der Neugierigen eine weibliche Gestalt, die Frau schlechthin, umschwärmt von einer ganzen Schar sie einkleidender und liebkosender Amoretten.
    Der Palast war fertig, der Tempel für die verschwenderischen Launen der Mode errichtet. Er überschattete und beherrschte gleichsam ein ganzes Stadtviertel. Die Wunde, die der Abbruch des Hauses von Bourras ihm geschlagen hatte, war bereits so gut vernarbt, daß man vergebens die Stelle gesucht hätte, wo das Geschwür gesessen hatte. Die vier Fronten zogen sich jetzt ohne jede Unterbrechung in ihrer ganzen prächtigen Abgeschlossenheit längs der vier Straßen hin.
    Gegenüber, am »Vieil Elbeuf«, waren die Läden geschlossen, seit Baudu in ein Altersheim gegangen war; das Haus barg sich wie eine Gruft hinter

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