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Das Paradies der Damen - 11

Das Paradies der Damen - 11

Titel: Das Paradies der Damen - 11 Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Émile Zola
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Summen, die ihr Mann opferte, da er auf ihre Nachsicht angewiesen war.
    »Kommen Sie mit hinein«, sagte Frau Guibal, »sehen wir uns die Ausstellung an … Wollte sich Ihr Schwiegersohn nicht hier mit Ihnen treffen?«
    »Ja«, antwortete Blanche anstelle der Mutter. »Paul holt uns, wenn er aus dem Büro kommt, um vier Uhr im Lesesaal ab.«
    Sie waren seit einem Monat verheiratet. Vallagnosc hatte einen dreiwöchigen Urlaub erhalten, den sie im Süden verbracht hatten; seit einer Woche war er wieder auf seinem Posten. Die junge Frau hatte bereits die Fülle ihrer Mutter, sie schien durch die Ehe noch mehr in die Breite zu gehen.
    »Da ist ja Frau Desforges!« rief die Gräfin und zeigte auf einen eben haltenden Wagen.
    »Unglaublich!« sagte Frau Guibal. »Nach allem, was geschehen ist … Sie muß doch noch über den Brand der ›Vier Jahreszeitein‹ trauern!«
    Es war wirklich Henriette. Sie bemerkte die Damen, näherte sich ihnen mit heiterer Miene und verbarg ihren Unmut unter der geheuchelten Liebenswürdigkeit der Dame von Welt.
    »Mein Gott, ich habe mir die Sache auch ansehen wollen. Das ist doch besser, als es sich erzählen zu lassen«, erklärte sie.
    »Oh, ich stehe nach wie vor auf gutem Fuß mit Herrn Mouret, obgleich man sagt, daß er wütend sei, seitdem ich an der Konkurrenz interessiert bin. Ich kann ihm nur eines nicht verzeihen, und das ist diese Heirat. Sie wissen doch, die Heirat des Laufburschen Joseph mit meinem Schützling, Fräulein von Fontenailles.«
    »Wie, ist es passiert?« fragte Frau von Boves. »Abscheulich!«
    »Ja, meine Liebe, und das hat er nur getan, um uns einen Hieb zu versetzen. Ich kenne ihn, er hat damit sagen wollen, daß unsere wohlerzogenen Töchter zu nichts anderem taugen, als seine Laufburschen zu heiraten.«
    Sie ereiferten sich immer mehr. Alle vier standen auf dem Bürgersteig, wo sie von der Menge hin und her gedrängt wurden. Allmählich gerieten sie in den allgemeinen Sog; sie brauchten sich ihm nur zu überlassen und wurden unbewußt durch die Tür hineingetragen. Die Unterhaltung wurde lauter, da sie sich in dem zunehmenden Lärm nur mehr schwer verständlich machen konnten.
    Vor ihnen breiteten sich nun die Geschäftsräume aus, die größten der Welt, wie es in der Reklame hieß. Ihre Blicke waren wie gebannt von dem Schauspiel: rings um sie her gleichsam eine schneeige Landschaft, unendliche Gletscher von schimmerndem Weiß, eine gleißende Vielfalt von Stoffen und Fertigwaren — immer wieder in makellosestem Weiß. Die Tische verschwanden unter der blendenden Fülle, Seiden und zarte Musseline schmiegten sich weich an die Säulen, eine Flut der kunstvollsten Spitzen ergoß sich in breiten Wellen vom Gewölbe herab. So weit das Auge blickte, nichts als Weiß und doch niemals das gleiche Weiß.
    »Wunderbar!« wiederholten die Damen ein ums andere Mal. Es war Mourets Glanzleistung, das genialste Werk seiner Ausstellungskunst.
    Das rege Treiben in den Geschäftsräumen ließ nicht nach. Die Aufzüge wurden belagert; im Erfrischungsraum und im Lesesaal war es zum Brechen voll, ein ganzes Volk schien sich hier ein Stelldichein gegeben zu haben. Die Menge bildete lauter dunkle Punkte im schneeigen Weiß der Dekorationen; man glaubte Schlittschuhläufer auf einem zugefrorenen See zu erblicken. Im Erdgeschoß herrschte ein verworrenes Wogen, belebt durch Ebbe und Flut; man sah nichts als die erregten, entzückten Gesichter der Frauen. Dabei herrschte, besonders in den oberen Stockwerken, eine wahre Treibhaushitze. Das Gesumm der vielen tausend Stimmen war wie das Rauschen eines angeschwollenen Stroms.
    »Wir müssen sehen, daß wir vorwärtskommen«, sagte Frau von Boves. »Wir können doch nicht ewig auf einem Fleck bleiben.«
    Der Inspektor Jouve, der in der Nähe der Tür stand, hatte sie seit ihrem Eintritt nicht mehr aus den Augen gelassen. Als sie sich einen Moment umwandte, kreuzten sich ihre Blicke. Und sobald die Damen weitergingen, folgte er in einiger Entfernung, anscheinend ohne sich weiter um sie zu kümmern.
    »Schauen Sie, das ist ein netter Gedanke!« rief Frau Guibal, die vor der ersten Kasse stehenblieb.
    Sie sprach von der neuesten Aufmerksamkeit, die Mouret ersonnen hatte und von der in den Zeitungen viel die Rede war. Sie bestand in kleinen Sträußen von weißen Veilchen, die er zu Tausenden in Nizza gekauft hatte und nun jeder Kundin, selbst für den geringsten Einkauf, überreichen ließ. Allmählich waren alle Damen mit Blumen

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