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Das Paradies der Damen - 11

Das Paradies der Damen - 11

Titel: Das Paradies der Damen - 11 Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Émile Zola
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Sie lieber einen Umhang als einen Mantel?«
    Denise fuhr zusammen, eine Hand hatte sich auf ihren Arm gelegt, und Frau Aurélie fragte streng:
    »Nun tun Sie überhaupt nichts? Sie betrachten sich die Leute da draußen? So geht das nicht!«
    »Man läßt mich ja nicht verkaufen.«
    »Es gibt andere Arbeiten für Sie, fangen Sie wie alle an … Hier, legen Sie die Sachen zusammen!«
    Um die wenigen Kunden zu bedienen, die bisher gekommen waren, hatte man schon sämtliche Fächer leeren müssen; auf den beiden langen Eichentischen rechts und links lagen ganze Haufen von Mänteln, Umhängen und Kleidern aller Sorten und Größen.
    Wortlos machte Denise sich daran, sie zusammenzulegen und sorgfältig wieder in die Schränke zu hängen. Es war die untergeordnetste Arbeit der Anfängerinnen. Sie widersprach nicht, da sie wußte, daß man unbedingten Gehorsam forderte; sie wartete einfach ab, ob die Direktrice sie auch verkaufen lassen werde, wie sie es anfangs vorgehabt zu haben schien.
    Sie war immer noch beim Zusammenlegen, als Mouret erschien; das störte sie aus ihrer trüben Stimmung auf. Sie errötete, ohne zu wissen, weshalb, und fühlte sich wieder von jener seltsamen Angst erfaßt, denn sie glaubte, daß er sie ansprechen werde. Allein er sah sie gar nicht, er erinnerte sich nicht mehr an diese kleine Person, die ihm einmal durch einen vorübergehenden günstigen Eindruck aufgefallen war.
    »Frau Aurélie!« rief er in gebieterischem Ton.
    Er war blaß, die Augen aber waren hell und hatten ihre Entschlossenheit behalten. Auf seinem Gang durch die Abteilungen hatte er überall gähnende Leere vorgefunden, und bei all seinem eigensinnigen Vertrauen in sein Glück war doch plötzlich die Möglichkeit einer Niederlage in seinen Überlegungen aufgetaucht. Allerdings war es erst elf Uhr, und er wußte aus Erfahrung, daß der Hauptansturm immer nachmittags kam. Allein einige Anzeichen beunruhigten ihn: bei früheren Großverkäufen hatte sich schon am Morgen eine gewisse Bewegung gezeigt, während heute sogar die Kunden aus dem Stadtviertel fehlten, die als Nachbarinnen zu ihm zu kommen pflegten.
    Eben sagte Frau Boutarel, die sonst immer etwas kaufte:
    »Nein, Sie haben diesmal nichts, was mir gefällt … Ich werde mich ein andermal entschließen.«
    Mouret blickte ihr nach; als Frau Aurélie auf seinen Ruf herbeikam, nahm er sie beiseite, und die beiden wechselten rasch einige Worte. Sie machte eine Geste des Bedauerns, offenbar berichtete sie ihm, daß der Verkauf nicht recht in Schwung kommen wolle. Sie standen sich einen Augenblick wortlos gegenüber, von einem jener Zweifel gepackt, die ein Feldherr seinen Soldaten zu verbergen pflegt. Endlich sagte Mouret laut und zuversichtlich:
    »Wenn Sie noch mehr Leute brauchen, nehmen Sie ein Mädchen aus dem Atelier, es wird doch etwas mithelfen können.«
    Verzweifelt setzte er seine Besichtigung fort. Er vermied es schon seit dem Morgen, Bourdoncle zu begegnen, dessen sorgenvolle Bemerkungen ihn reizten. Als er die Wäscheabteilung verließ, wo das Geschäft noch schwächer ging, stieß er doch plötzlich auf ihn und mußte sein Gejammer über sich ergehen lassen. Da schickte er ihn ganz einfach zum Teufel mit all der Schroffheit, die er in schlimmen Stunden selbst seinen höchsten Angestellten gegenüber an den Tag legte.
    »Lassen Sie mich in Ruhe! Es geht ja ausgezeichnet … Ich werfe schließlich noch alle Miesmacher zur Tür hinaus.«
    Dann stellte er sich an der Treppe vom Zwischenstock ins Erdgeschoß auf. Von diesem Punkt aus konnte er das ganze Geschäft überblicken. Doch nun erschien ihm die allgemeine Leere noch trostloser: In der Spitzenabteilung war nur eine alte Dame zu sehen, die sämtliche Kästen um und um wühlen ließ, ohne etwas zu kaufen; in der Wäscheabteilung feilschten drei Frauenzimmer um Kragen zu achtzehn Sous. Unten in den Seitengängen waren die Kunden zwar etwas zahlreicher, aber sie wanderten unentschlossen an den Tischen vorbei. Bei den Kurzwaren drängten sich einige Weiber; in den Abteilungen für Weißwaren und für Wollwaren dagegen war wieder kaum jemand zu entdecken. Die Laufburschen in ihren grünen Anzügen mit den breiten glänzenden Messingknöpfen warteten mit hängenden Armen auf die Kunden. Von Zeit zu Zeit ging einer der Inspektoren mit strenger Miene vorüber. Am meisten beklommen machte Mouret die Friedhofstille, die in der Halle herrschte. In dem gedämpften Licht, das durch die Milchglasdecke fiel, lag die

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