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Das Paradies der Damen - 11

Das Paradies der Damen - 11

Titel: Das Paradies der Damen - 11 Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Émile Zola
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achtzehn Franken siebzig. Dazu kommen noch sieben Franken Provision. Ist das richtig?«
    »Ja, danke.«
    Denise nahm ihr Geld und ging; da begegnete sie endlich Robineau. Er hatte bereits von ihrer Entlassung gehört und versprach ihr, daß er die Krawattenhändlerin suchen wolle. Er tröstete sie mit leiser Stimme und zeigte sich sehr erzürnt. Was war das für ein Leben! Von der Laune solcher Leute abhängig, stündlich in Gefahr, hinausgeworfen zu werden, ohne auch nur für den vollen Monat Bezahlung fordern zu dürfen!
    Denise ging hinauf zu Frau Cabin und sagte ihr, sie werde wahrscheinlich noch im Lauf des Abends ihren Koffer abholen lassen. Es schlug eben fünf Uhr, als sie draußen auf der Place Gaillon stand. –
    Als Robineau abends in seine Wohnung kam, fand er einen Brief der Geschäftsleitung vor, in dem er in aller Kürze verständigt wurde, daß man aus Gründen der inneren Ordnung genötigt sei, auf seine ferneren Dienste zu verzichten. Seit sieben Jahren war er im Haus, noch diesen Nachmittag hatte er mit den Herren über verschiedene Neuerungen gesprochen; diese Entlassung war wie ein Beilhieb. In der Seidenabteilung sangen Hutin und Favier Viktoria, ebenso laut wie Marguerite und Claire in der Konfektionsabteilung über die Entlassung Denises. Endlich wurde ordentlich aufgeräumt, endlich wurde Platz gemacht! Nur Pauline und Deloche tauschten, als sie einander begegneten, einige bittere Worte aus und bedauerten die sanfte und so anständige Denise.
    Bourdoncle nahm nach diesem Vorfall gelassen einen Zornesausbruch Mourets hin. Als dieser von der Entlassung Denises hörte, war er sehr aufgeregt. Gewöhnlich befaßte er sich wenig mit dem Personal, diesmal aber glaubte er darin einen Eingriff in seine Machtbefugnisse erblicken zu sollen. War er denn nicht mehr der Chef, daß man es wagte, solche Befehle zu erteilen? Alles mußte ihm vorgelegt werden, alles, und wer sich ihm zu widersetzen suchte, den würde er zerbrechen wie einen Strohhalm! Als er sich dann näher erkundigte, geriet er noch mehr in Zorn. Das Mädchen hatte gar nicht gelogen, es war tatsächlich ihr Bruder gewesen; Campion, der Leiter der Warenabgangsstelle, hatte ihn erkannt. Warum war sie also entlassen worden? Er sprach davon, sie wieder einzustellen.
    Boudoncle, stark im passiven Widerstand, beugte den Nacken und ließ den Sturm sich austoben. Als er eines Tages Mouret wieder ruhig sah, sagte er in eigentümlichem Ton:
    »Es ist besser für alle, daß sie fort ist.«
    Mouret wurde rot: er stand eine Weile verlegen da, endlich erwiderte er lächelnd:
    »Sie haben vielleicht recht. Gehen wir hinunter und sehen wir uns den Verkauf an. Es wird jetzt besser. Gestern sind nahezu hunderttausend Franken hereingekommen.«
     

Siebentes Kapitel
    Einen Augenblick stand Denise wie versteinert auf dem Pflaster, den heißen Strahlen der Nachmittagssonne ausgesetzt. Mechanisch drehte sie ihre fünfundzwanzig Franken siebzig in der Tasche hin und her und fragte sich, was sie anfangen, wohin sie gehen solle. War es möglich, daß man einen Menschen so von einer Minute zur andern hinausstieß in diese ungeheure Stadt, ohne Stütze, ohne jede Hilfe? Sie mußte doch von etwas leben, mußte irgendwo schlafen! Um endlich wenigstens vom »Paradies der Damen« loszukommen, wandte sie sich nach der Rue de la Michodière.
    Glücklicherweise stand Baudu nicht vor seiner Tür; der »Vieil Elbeuf« lag wie ausgestorben hinter seinen finsteren Schaufenstern. Sie hätte es nie gewagt, sich bei ihrem Onkel zu zeigen, denn seit ihrem Weggang tat er, als kenne er sie nicht, und in dem Unglück, das er ihr vorausgesagt hatte, wollte sie ihm nicht zur Last fallen. Plötzlich bemerkte sie einen gelben Zettel auf der anderen Seite der Straße: »Möbliertes Zimmer zu vermieten«. Das Haus sah sehr dürftig aus, und gleich darauf erkannte sie es auch mit seinen beiden niedrigen Stockwerken, seiner rostfarbenen Fassade, eingepfercht zwischen dem »Paradies der Damen« und dem ehemaligen Haus Duvillard. Auf der Schwelle seiner Regenschirmhandlung stand der alte Bourras mit seinem Prophetenhaupt und betrachtete, die Brille auf der Nase, den elfenbeinernen Knauf eines Spazierstockes. Er vermietete die beiden oberen Stockwerke, um einen Teil seiner eigenen Kosten wieder hereinzubringen.
    »Sie haben ein Zimmer frei?« fragte Denise.
    Er hob seine von dichten Brauen beschatteten Augen und war überrascht, als er sie vor sich stehen sah. Er kannte alle Mädchen vom

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