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Das Paradies der Damen - 11

Das Paradies der Damen - 11

Titel: Das Paradies der Damen - 11 Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Émile Zola
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werden konnte. Jetzt wußte sie, wo sie war: die Seidenabteilung mußte vor ihr liegen; aber sie brauchte gute zehn Minuten, um durch das Gewühl dahinzugelangen. Die roten Ballons in der Luft an ihren dünnen Fäden wurden immer zahlreicher; sie verdichteten sich zu einem Gewölk, bewegten sich langsam nach den Türen und ergossen sich von hier aus über Paris.
    »Wie, gnädige Frau, Sie haben sich hierhergewagt?« rief Bouthemont, als er Frau Desforges erblickte.
    Seit einiger Zeit kam der Abteilungsleiter, den Mouret selbst eingeführt hatte, zuweilen zu ihr zum Tee. Sie fand ihn ein bißchen gewöhnlich, aber sehr angenehm, lebhaft und von einem gesunden Humor, der sie überraschte und unterhielt. Vor einigen Tagen hatte er ihr übrigens rundheraus die Liebschaft Mourets mit Claire erzählt, ohne bestimmte Absicht, aus reiner Dummheit. Von Eifersucht verzehrt, ihren Verdruß unter einer Miene der Geringschätzung verbergend, war sie gekommen, um dieses Mädchen kennenzulernen; er hatte bloß gesagt, daß sie in der Konfektionsabteilung beschäftigt sei, ohne sie mit Namen zu nennen.
    »Wünschen Sie etwas bei uns?« fragte er.
    »Gewiß, sonst wäre ich nicht gekommen. Haben Sie Stoff für Morgenröcke?«
    Sie hoffte, von ihm den Namen des Mädchens zu erfahren. Er rief nach Favier und fuhr fort, mit ihr zu plaudern, da der Verkäufer eben Kundschaft zu bedienen hatte, just jene hübsche Blondine, von der zuweilen die ganze Abteilung sprach, ohne auch nur ihren Namen zu wissen.
    »Beeilen Sie sich doch! Das ist ja nicht auszuhalten!« rief Hutin Favier zu, der endlich seine Kundin zur Kasse begleitet hatte.
    »Wenn diese Dame kommt, können Sie nie fertig werden. Sie macht sich ja bloß lustig über Sie!«
    »Nicht mehr als ich mich über sie«, erwiderte der Verkäufer beleidigt.
    Allein Hutin drohte ihm mit einer Meldung bei der Geschäftsleitung, wenn er sich nicht achtungsvoller gegen die Kunden benehme. Hutin war schrecklich geworden, überstreng, seit die Abteilung sich verbündet hatte, um ihm den Platz Robineaus zu verschaffen. Trotz seiner ehemaligen Versprechungen, gute Kameradschaft zu halten, erwies er sich jetzt als dermaßen unerträglich, daß die Verkäufer sich nun insgeheim zusammenschlossen, um Favier gegen ihn zu unterstützen.
    »Widersprechen Sie nicht«, sagte Hutin streng. »Herr Bouthemont verlangt Stoffe zu einem Morgenrock, die hellsten Muster.«
    Als Frau Desforges ihre Wahl getroffen hatte, machte sie einen letzten Versuch bei Bouthemont, der neben ihr stand.
    »Ich will in die Konfektionsabteilung hinaufgehen, um nachzusehen, ob Reisemäntel da sind … Ist das Fräulein aus Ihrer Geschichte blond?«
    Der Abteilungsleiter, den ihre Hartnäckigkeit zu beunruhigen begann, beschränkte sich auf ein Lächeln. In diesem Augenblick kam Denise vorüber. Favier hatte schon Frau Desforges’ Stoff ergriffen, um mit ihr zu gehen, als Hutin ihn zurückhielt, weil er hoffte, ihn dadurch zu kränken.
    »Lassen Sie das nur; das Fräulein wird so gut sein, die gnädige Frau zu begleiten.«
    Denise war verwirrt, erklärte sich indessen bereit, das Paket und die Rechnung zu übernehmen. Sooft sie sich dem jungen Mann gegenüber fand, fühlte sie eine gewisse Scham. Es war, als erinnere sie seine Anwesenheit an ein einstiges Vergehen. Und doch hatte sie nur im Traum gesündigt. Hatte sie ihn wirklich geliebt? Sie wußte es nicht.
    »Sagen Sie«, fragte Frau Desforges Bouthemont ganz leise, »ist es etwa dieses ungeschickte Mädchen? Hat er sie denn wieder eingestellt? Ist sie die Heldin des Abenteuers?«
    »Vielleicht«, erwiderte der Abteilungsleiter, noch immer lächelnd und fest entschlossen, ihr nicht die Wahrheit zu sagen. Langsam stieg Frau Desforges hinter Denise die Treppe hinauf. Jeden Augenblick mußte sie stehenbleiben, um nicht von dem herunterkommenden Menschenstrom mitgerissen zu werden. Als sie endlich im ersten Stock angelangt war, schloß sie einen Moment die Lider: ihre Augen schmerzten von der Vielfalt der Farben und der Fülle der Eindrücke.
    Mouret stand unterdessen noch immer mit Vallagnosc vor dem Lesesaal. Er deutete auf die Frauen, die sich in seinen Räumen drängten, und sagte:
    »Ja, sie sind hier zu Hause; ich kenne einige, die den ganzen Tag hier zubringen, essen, trinken und ihre Korrespondenz besorgen … Es fehlte nur noch, daß sie hier schlafen.«
    Paul lächelte müde. In seinem ewigen Pessimismus fand er es nach wie vor albern, daß eine solche Menschenmenge sich

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