Das Paradies der Damen - 11
einem Franken fünfundzwanzig, Turiner Handschuhe für Kinder, gestickte Handschuhe in allen Farben …«
»Nein, ich danke, ich brauche nichts«, erklärte Frau Marty.
Allein er merkte, daß ihre Stimme schwächer wurde; er setzte ihr noch hartnäckiger zu, indem er ihr gestickte Handschuhe vorlegte, und sie gab ihren Widerstand auf. Sie kaufte ein Paar, und als sie Frau von Boves lächeln sah, errötete sie.
»Ich bin ein Kind, nicht wahr? Wenn ich nicht bald mein Schnürband kaufe und davongehe, bin ich verloren.«
Unglücklicherweise herrschte bei den Kurzwaren ein solches Gedränge, daß sie nicht bald bedient wurden. Sie warteten zehn Minuten und verloren schon die Geduld, als sie plötzlich Frau Bourdelais mit ihren drei Kindern begegneten. Diese erklärte mit der ruhigen Miene der praktischen Hausfrau, daß sie ihren Kleinen dieses Schauspiel habe zeigen wollen. Madeleine war zehn Jahre alt, Edmond acht, Lucien vier; die Kinder unterhielten sich prächtig, es war ein billiges Vergnügen, das ihnen seit langer Zeit versprochen war.
»Ich will doch einen roten Sonnenschirm kaufen, sie sind gar so drollig«, sagte jetzt Frau Marty, die ungeduldig hin und her trippelte.
Sie wählte einen für vierzehn Franken fünfzig. Frau Bourdelais, die tadelnd ihren Kauf betrachtete, sagte in freundschaftlichem Ton zu ihr:
»Sie sollten sich nicht so beeilen; in zwei Wochen hätten Sie ihn für zehn Franken bekommen … Mich werden diese Leute nicht drankriegen.«
Man dürfe nie gleich zu Anfang einkaufen, erklärte sie, denn die Preise würden später immer herabgesetzt. Sie lasse sich nicht ausbeuten, sie wolle billig einkaufen und kaufe auch billig ein. Sie führte diesen Kampf gegen die Warenhäuser mit einer gewissen Schadenfreude, sie rühmte sich, daß sie an ihr keinen Sou zu viel verdienten.
Heute wollte sie mit ihren Kindern nach oben, um ihnen im Lesesaal Bilder zu zeigen.
»Kommen Sie doch mit«, meinte sie, »Sie haben ja Zeit.«
Da war das Schnürband vergessen. Frau Marty gab sofort nach, während Frau von Boves vorher im Erdgeschoß die Runde machen wollte. Die Damen hofften, sich oben wieder zu treffen. Frau Bourdelais suchte eine Treppe, als sie einen der Aufzüge bemerkte und sich beeilte, mit ihren Kindern dahinzugelangen, um so das Vergnügen zu vervollständigen. Frau Marty und Valentine traten mit in den engen Käfig. Im ersten Stock harrte ihrer ein weiteres Vergnügen. Als man am Büfett vorbeikam, ließ Frau Bourdelais es sich nicht entgehen, die Kleinen mit Obstsaft zu versorgen. Allein bis sie sich wieder aus dem Menschenknäuel herausgearbeitet hatte, waren Frau Marty und Valentine verschwunden. Endlich entdeckte sie sie in einem ziemlich entfernten Gang. Die beiden kauften schon wieder. Es war vorbei mit ihnen, Mutter und Tochter vergingen in der fieberhaften Sucht, Geld auszugeben.
Im Lese- und Unterhaltungsraum setzte Frau Bourdelais Madeleine, Edmond und Lucien an den großen Tisch, dann holte sie aus einem der Regale Bilderbücher und brachte sie ihren Kindern.
Ein schweigendes Publikum hatte sich rings um den Tisch angesammelt, der mit Zeitschriften und Zeitungen, Papier und Schreibzeug bedeckt war. Einige Damen hatten ihre Handschuhe abgelegt und schrieben ihre Briefe auf den Bogen mit dem Namenszug des Hauses. Herren saßen in ihre Sessel zurückgelehnt und lasen die Zeitung. Viele taten auch einfach gar nichts. Es gab Männer, die hier auf ihre Frauen warteten, die sie unten im Gewühl zurückgelassen hatten, junge Damen, die nach der Ankunft eines Liebhabers ausspähten, endlich Väter und Mütter, die von ihren Kindern wie in einer Garderobe zurückgelassen worden waren, um dann, wenn man mit dem Einkauf fertig war, wieder abgeholt zu werden.
»Wie, Sie sind hier?« rief Frau Bourdelais plötzlich. »Ich habe Sie erst gar nicht erkannt.«
Es war Frau Guibal; sie schien recht verdrossen über diese Begegnung und erzählte, sie sei nur heraufgekommen, um dem Trubel da unten zu entgehen und sich ein wenig auszuruhen. Als Frau Bourdelais sie fragte, ob sie gekommen sei, Einkäufe zu machen, erwiderte sie mit ihrer schmachtenden Miene:
»Im Gegenteil, ich bin hier, um etwas zurückzugeben. Ja, einen Unterrock und einige Vorhänge, mit denen ich nicht zufrieden bin. Aber es sind so viele Leute da, daß ich warten muß, um in die betreffenden Abteilungen zu kommen.«
Dann plauderte sie weiter und meinte, es sei so bequem, dieses System des Zurückgebens. Früher habe sie nie
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