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Das Paradies des August Engelhardt

Das Paradies des August Engelhardt

Titel: Das Paradies des August Engelhardt Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Marc Buhl
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Sie mir, es nicht zu übertreiben.«
    »Ich übertreibe nicht. Wer die Erde in ein neues Eden verwandeln will, muss die Menschen aus tiefem Schlaf wecken. Das geht nicht, wenn wir Rücksicht nehmen, sondern nur durch Konsequenz. Und wenn Ihnen Goethe nicht genügt, rufe ich Christus selber zum Zeugen, denn ich werde sein wie Vögel unter dem Himmel: nicht säen und nicht ernten, und unser himmlischer Vater wird mich doch ernähren. Ich werde sein wie die Lilien auf dem Felde und nicht fragen, was werde ich essen? Was werde ich trinken? Womit werde ich mich kleiden? Darum kümmern sich die Heiden, sagt Christus. Wir sollen uns nicht um morgen kümmern, denn der morgige Tag sorgt für das Seine.«
    »Gehen Sie«, sagte Hahl resigniert, »und nehmen Sie regelmäßig Chinin.«
     
    Engelhardt versuchte vergebens ein Kanu zu finden, das ihn zurückbringen konnte, und quartierte sich deswegen im Hotel Deutscher Hof ein. Wie das Tor einer fränkischen Kleinstadt das weiß verputzte Fachwerktürmchen, nur die Palmen dahinter störten den Eindruck. Neben dem Tor öffnete sich der Speisesaal, zum Meer hin. Ein lauer Wind ging durch den fensterlosen Raum. Kein Hirschgeweih hing an der Wand, sondern der geöffnete Rachen eines Krokodils. Nur etwas Obst hatte er bestellt, leise zum Kellner gewandt, und wieder nach draußen geschaut, wo sich die Fliegenden Hunde von den Bäumen gelöst hatten und als dunkle Schatten durch die kurze Dämmerung streiften, während in den Palmen die Glühwürmchen blinkten, kein konstantes Leuchten, sondern eine Morsebotschaft, eine Nachricht an ihn, der Ruf seiner Insel, er möge bald kommen. Ein leichter Schwefeldunst lag in der Luft, vermutlich von den Vulkanen. Unter der Veranda rauschten die Wellen gegen den Fels. Kabakon war nur ein Streifen am Horizont. An den anderen Tischen saßen Pflanzer, Beamte, ein paar Seeleute auf Durchreise. Ein Kapitän erzählte von dem letzten Maschinenschaden, die Pleuelstange ausgeschlagen, Windstärke sieben und das Schiff stellte sich quer, den Maschinisten hatte man anbinden müssen zur Reparatur, man sollte doch wieder auf Segler setzen. Ein Landvermesser wurde nach zehn Jahren im Land verabschiedet. Ein Hoch auf unseren Willi, immer alleine mit dem Zelt unterwegs und die ganze Kolonie ausgemessen, zweimal seinen Vertrag mit der Compagnie verlängert, wo die meisten nicht einmal die üblichen drei Jahre durchhielten, hochsollerlebenunserwillihochhochhoch. Im äußersten Westen des Bismarck-Archipels grassiere die Cholera, man müsse aufpassen und keine Arbeiter von dort mehr anwerben, die stürben alle weg, das käme teuer. Der Boy des Wirtes schleppte Kannen voll Bier. Anständige Polynesierinnen gebe es jetzt im Bordell des Chinesen, helle Haut und gerade Nasen, nicht mehr diese ekelhaften Schwarzen, man könne jetzt sogar das Licht dabei anlassen, ohne dass einem schlecht würde, wurde auch Zeit. Ein Paradiesvogeljäger wurde von allen gelobt. Er sei der Beste gewesen, der Mutigste, der Erfahrenste, dabei erst fünfundzwanzig Jahre alt und zu richtig viel Geld gekommen. Es hätte noch viel mehr werden können, schade, dass er so früh gegessen wurde. Die Matrosen sangen de Hamborger Veermaster.
    Auch der Gouverneur halte sich inzwischen einen Kasuar als Haustier, wobei die genauso hässlich seien wie die Emus, Vögel sollten fliegen, nicht laufen, außerdem würden die so anhänglich, dass sie einem ziemlich schnell auf die Nerven gingen, und wegscheuchen könne man sie auch nicht, denn die Kralle der Innenzehe schlitze einem schnell den Bauch auf, kein Wunder, dass die Wilden sie als Waffe benutzen, dann lieber einen Waran. Einen hiesigen Hund könne man sich ja leider nicht zulegen, aus unerfindlichen Gründen bellen die nicht, sondern jaulen nur jämmerlich. »Einen Teller Obst für den Herrn und das abgekochte Wasser.«
    Ein kurzes Schweigen fiel über die Nachbartische, wo plötzlich alle verbunden waren in Solidarität und Empörung, so fern war man der Heimat, und jetzt fing das auch hier an, wo bisher ein Mann noch ein Mann war und Schnaps Schnaps. Engelhardt hörte die üblichen Sprüche, dass er eine Zwiebacknase sei, ein Rohköstler, Himbeersaftstudent, Kohlrabiapostel, wo der Mensch doch Fleisch und Bier brauche, gerade hier in den Tropen, sonst lebe er nicht lange, und dass der Wirt Reben gepflanzt habe, Herbergshöher Ranzenbeißer, der gegen Flöhe helfe, Kakerlaken und Ruhr, den solle er probieren und warum er das tue. Das war nicht ernst

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