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Das Paradies des August Engelhardt

Das Paradies des August Engelhardt

Titel: Das Paradies des August Engelhardt Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Marc Buhl
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Hund, die noch immer nicht aufgetaucht war, aber das war kein Problem, die Insel war klein genug, und es gab keinen Grand, sie zu suchen. Die Leute vom Jungborn saßen zusammen um Friebel mit seinem Stoffhut. Weiter weg die paar, die er von Diefenbach kannte, Anna, Walter, Fräulein Henning, Bella und Bradtke, den mochte er nicht, der machte aus allem ein Geschäft und doch nie richtig Geld. Abgesondert von ihnen die dritte Gruppe, schwer einzuordnen, sie waren alle ganz unterschiedlich, und alle blieben bei sich, nur Wilhelm Pastor schoss wie ein Weberschiffchen von einer Gruppe zur anderen. Schließlich glitt Engelhardt die Palme hinunter. »Ich hoffe, es hat euch geschmeckt«, sagte er. »Aber noch seid ihr nicht angekommen. Noch hält die Zivilisation euch gefangen. Die Schande hat uns gekleidet«, sagte er, die Arme halb erhoben, als wollte er alle umfassen, »die Schande hat uns gekleidet, aber die Ehre macht uns wieder nackt.« Engelhardt zog das Leinentuch von den Hüften und warf es achtlos beiseite. »Schluss mit der Schande, lasst uns so gehen, wie Gott uns geschaffen hat.«
    Lauter Jubel folgte, Klatschen, Pfiffe, Schuhe flogen durch die Luft, Hosen, Röcke, Socken, Leinengewänder, einer riss dem Glatzköpfigen den Hut vom Kopf und schleuderte ihn davon.
    Engelhardt öffnete eine Nuss und spritzte Bella Nonnenmacher ein paar Spritzer Kokoswasser ins Haar. »Ich taufe dich und ernenne dich zum Apostel der Kokosnuss. Mit dieser Taufe legst du deine Nationalität ab, deine Herkunft, deine Rasse, deinen Beruf, deinen Glauben, deine Ängste, deine Vorurteile und wirst ein reines Kind der Sonne.« Sie kniete sich vor ihm nieder. Neben ihr ging Sarah auf die Knie, die ein Amulett aus Japan um den Hals trag; Yin und Yang seien das, hatte sie allen auf dem Schiff erklärt, das Männliche und das Weibliche in innigster Umarmung, beziehungsweise Natrium und Kalium, die man immer ausgewogen zu sich nehmen müsse, wie ihr japanischer Lehrer herausgefunden hatte.
    Emil Friebel, Turnlehrer und Kraftsportler, Verfasser des Katechismus der Athletik und pleitegegangener Gründer der Trainerschule für körperliche und geistige Vervollkommnung, nahm den Hut ab und entblößte die Glatze. Fräulein Henning beugte den Kopf. Ihre Haare waren jetzt schon verfilzt. Sie wusch sie nie, denn Seife ist des Teufels. Wilhelm faltete übertrieben die Hände, summte einen Choral und ließ sich in den Sand fallen, als Engelhardt ihn taufte. Anna hielt die Augen geschlossen. Alle warteten darauf, erlöst zu werden von ihrem bisherigen Leben. Salomon hatte Tränen in den Augen. Er war der Älteste hier, über vierzig, die Haare schon grau, die Augen klein, wach und lebendig. Er war Buchdrucker gewesen, tagsüber spezialisiert auf Nachdrucke der Klassiker und nachts auf Flugblätter für die Sozialistische Arbeiterpartei. Zwei Jahre Gefängnis, nicht wegen der Klassiker, verflucht seien Bismarck und die verdammten Nationalliberalen und ihre Angst nach den Attentaten auf den Kaiser, verflucht die ganze Politik. Anschließend ein halbes Jahr in Jaffa, aber das war nicht das gelobte Land, das er sich erhofft hatte, die Erde war alt und ausgelaugt, hier würde nie etwas Gutes entstehen, daher kehrte er nach Frankfurt zurück, wurde Vegetarier, ging nackt, druckte Kraft und Schönheit. Zeitschrift für vernünftige Leibeszucht und eine Reformzeitschrift für Aktfotografie, vielleicht war das der Weg, jenseits der Politik und der Religion. Als er den Brief des Musikers gelesen hatte, entschloss er sich innerhalb von einer halben Stunde, Deutschland ein zweites Mal zu verlassen.
    Engelhardt taufte Jonathan Bauer mit den breiten Schultern und dem blonden Zopf, der auf der Flucht vor dem Militärdienst war; aus zwei Gefängnissen war er ausgebrochen und hatte einmal gleich drei Polizisten krankenhausreif geschlagen.
    Walburga Silberman wurde getauft, die ehemalige Schauspielerin, immerhin hatte sie mit Max Reinhardt gespielt, in Maxim Gorkis Nachtasyl, sie war die junge Hure und er der Pilger; das Publikum hatte geweint, als sie ihre Sätze von der Bühne geschleudert hatte, könnt ihr überhaupt begreifen, was Liebe ist, wirkliche, echte Liebe? Und ich habe sie gekostet, diese wirkliche Liebe, was doppelt gelogen war, denn weder die junge Prostituierte in dem Stück hatte das, sondern die Liebesgeschichten nur erfunden, noch die Schauspielerin, die nicht einmal mit erfundenen Liebesgeschichten aufwarten konnte, es hatte sich einfach nicht ergeben,

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