Das Paradies ist woanders! (German Edition)
ehe er sich, ohne ein weiteres Wort, umdreht, und den Raum verlässt. Er möchte lieber nicht dabei sein, wenn die Soldaten den Jungen wegbringen. Irgendwo, tief in seinem Inneren, regt sich sein schlechtes Gewissen. Aber damit wird er leben müssen, wie mit so vielen anderen Dingen auch. Einer muss diesen Job schließlich machen.
Eine Stunde später
Rico kommt auf ihn zu, legt ihm jetzt Handschellen an. Er achtet dabei darauf, dass sie nicht zu straff sitzen, nickt Joshua einmal aufmunternd zu. Der Soldat merkt sofort, in welcher Verfassung sich ihr Gefangener befindet. Hoffentlich behält der Junge wenigstens bis zum Wagen die Nerven ... , es wäre alles andere als schön, wenn wir gleich zu Anfang Schwierigkeiten mit ihm bekommen ...
Als er fertig ist, dreht er sich noch einmal kurz zu seinem Vorgesetzten um, er deutet ihm mit einer kurzen Geste an, dass es Joshua nicht besonders gut geht. Carlos nickt. Er weiß genau, dass es noch ein schwerer Weg wird, bis sie ihr Ziel erreichen.
Er hat ähnliche Jobs bereits mehrfach ausgeführt. Fast immer hat es unterwegs Probleme gegeben. Meistens dann, wenn unseren Schützlingen klar wird, auf was sie sich da eingelassen haben. Das Ganze ist mit Sicherheit kein Spiel, ... die mexikanischen Drogenkartelle kennen kein Pardon. Wenn sie einen Verräter enttarnen, dann ist diese Person so gut wie tot ...
Nachdenklich mustert er seinen jungen Gefangenen ... Ja, in diesem Krieg gibt es viele Opfer, auf beiden Seiten. Und es werden immer mehr .... Rico und ich erleben das jeden Tag am eigenen Leib.
Deshalb tragen wir keine Namensschilder an unseren Uniformen, keine Rangabzeichen, keine Erkennungsmarken, wie sonst bei jedem Militärangehörigen üblich. Deshalb benutzen wir Tarnnamen, sprechen selbst mit langjährigen Kollegen nicht über unser Privatleben. Die Kartelle kennen viele Wege, jemanden zu erpressen, und am besten und wirkungsvollsten geht das, wenn man ihm damit droht, seiner Familie etwas anzutun. Es ist das allgegenwärtige Misstrauen gegen unsere Mitmenschen, welches uns in diesem Fall am Leben erhält.
Carlos blickt dem Jungen noch einmal in die Augen, nein, all diese Gedanken kann und will ich dem Jungen nicht zumuten, es ist sicher besser, Joshua weiß so wenig wie möglich!
Er gibt Rico ein kurzes Handzeichen, dann nehmen die beiden Soldaten den Jungen zwischen sich. Sie führen ihn heraus aus dem grell erleuchteten Raum, durch lange, dunkle Flure, bis zu einer Metalltür. Dahinter befindet sich die Tiefgarage. Sie gehen zu einem Auto mit mexikanischen Kennzeichen herüber. Ein gewöhnliches Zivilfahrzeug, für jeden, der es oberflächlich betrachtet. Joshua muss hinten einsteigen, Rico befestigt seine Handschellen an einer Kette, deren anderes Ende im Fahrzeugboden verankert ist. Er lässt sie lang genug, dass der Junge sich einigermaßen ungehindert hinlegen kann, dann reicht er ihm eine Decke und eine Flasche Wasser. Er nickt ihm nochmals aufmunternd zu, dann schließt er die Tür. Sie verriegelt sich selbsttätig. Joshua bemüht sich ruhig zu atmen, aber er hat das Gefühl, als müsse er ersticken. Jetzt gibt es keinen Weg zurück , schießt es ihm durch den Kopf ..., und er kann bei diesem Gedanken kaum mehr verhindern, dass ihn ein leichter Anflug von Panik erfasst ...
Fünf Stunden später
Joshua erwacht, als die Motorengeräusche verstummen, richtet sich etwas auf, um heraussehen zu können. Er muss einige Stunden verpasst haben, denn die Sonne steht bereits ziemlich tief und der Himmel schimmert rötlich. Wo sie sich genau befinden, weiß er nicht, aber auf den ersten Blick sieht es für ihn aus, als ob sie mitten in der Wüste sind.
Ungewöhnlich ist das allerdings nicht, bestehen doch große Teile Arizonas und auch die der angrenzenden Provinzen des südlichen Nachbarlandes, aus Wüste.
Kurz kommt ihm der Gedanke, dass dies ja eigentlich das Land seiner Vorfahren ist, Mexiko, seine Heimat, aber er wischt ihn wieder weg.
Rico steigt aus und geht um das Fahrzeug herum, dann öffnet er die Tür an Joshuas Seite. Ein Schwall warmer Luft streift ihn, treibt ihm den Schweiß auf die Stirn. Draußen herrschen, auch jetzt, gegen Abend, deutlich höherer Temperaturen, als man es in dem klimatisierten Wagen vermutet hätte.
Der Soldat sieht ihn fragend an, holt dann einen Schlüsselbund aus seiner Tasche und beginnt damit, die Kette, mit welcher der Junge an den Fahrzeugboden gefesselt ist, zu lösen. Die Handschellen schließt er
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