Das Paradies
brauchte eine Frau, die seinem Rang angemessen war, eine Aristokratin, die einmal gute Freunde am Hof gehabt hatte.
Sie lief in ihr Zimmer, kämmte sich schnell die Haare, zog die Lippen mit Lippenstift nach und betupfte sich die Ohrläppchen mit Jasminparfüm. Lachend und aufgeregt kam sie sich wieder wie ein junges Mädchen vor. Sie eilte in den Garten hinunter, und als Hassan aus dem Haus trat, ging sie ihm entgegen.
»Ich habe es zufällig gehört«, sagte sie. »Ich hoffe, du hast nichts dagegen, daß ich an der Tür gelauscht habe?«
Er sah sie verwirrt an.
»Deinen Heiratsantrag!« sagte sie kokett. »Du hättest nicht zu Ibrahim gehen müssen. Ich treffe inzwischen meine Entscheidungen selbst.« Sie legte ihm die Arme um den Hals. »Oh, Hassan, ich liebe dich schon lange. Ich verspreche dir, eine gute Frau zu sein.«
»Du?« erwiderte er und lachte laut. »Wir haben nicht über dich gesprochen, sondern über Amira!« Er löste sich aus ihren Armen und sagte: »Es gab einmal eine Zeit, da hätte ich dich in Betracht gezogen, Nefissa. Damals warst du noch jung und attraktiv. Aber warum sollte ich mir eine verbrauchte Frau nehmen, wenn ich die begehrenswerteste Jungfrau in ganz Kairo haben kann?«
Sie starrte ihn fassungslos an. »Das ist doch nicht dein Ernst!«
Hassan genoß seine Überlegenheit. Er erinnerte sich daran, wie er Nefissa in dem Jahr nach dem Tod ihres Mannes deutlich signalisiert hatte, daß er sie sehr attraktiv fand. Aber sie hatte ihn überheblich überhaupt nicht zur Kenntnis genommen. Er war für sie wie Luft gewesen. Nun hatte sich das Blatt gewendet. »Du lebst immer noch in der Vergangenheit«, sagte er und lächelte boshaft, »kein Mann in ganz Kairo, der weiß, worauf es ankommt, möchte dich zur Frau.«
Nefissa sah ihm nach, als er noch immer lachend zum Tor ging, und sie dachte an die einzige schöne Nacht in ihrem Leben, als sie wirklich von einem Mann geliebt worden war. Ihr gutaussehender Leutnant war verschwunden. Sie sehnte sich nach ihm. Er sollte sie wieder so lieben wie damals …
Die Träume stellten sich wieder ein, aber mit mehr Einzelheiten und sehr viel drängender als je zuvor. Die alten beunruhigenden Bilder quälten sie im Schlaf – das Lager in der Wüste, der rechteckige Turm. Aber sie sah auch neue, verwirrende Dinge, zum Beispiel einen großen Mann mit schwarzer Haut, der einen roten Turban trug. Dieser Mann war stark. Er hatte Macht, und er war sehr streng. War es ihr Vater? Wer mag das nur sein, und weshalb erschien er ihr jetzt im Traum? Gehörte er zu dem Haus in der Perlenbaum-Straße oder dorthin, wo sie vor ihrer Entführung gelebt hatte, wo auch der Springbrunnen stand und der Pfau sein Rad schlug?
Khadija grübelte vergeblich über das Rätsel der Träume und fand auch keinen Anhaltspunkt, weshalb sie sich zu diesem Zeitpunkt wieder eingestellt hatten. In der Familie kamen keine Kinder zur Welt, keine Schwangerschaften kündigten eine Geburt an. Aber ihre alten Ängste beunruhigten sie mehr denn je, denn sie wurde das Gefühl nicht los, daß ein schreckliches Unrecht auf ihr lastete – auf ihr oder auf den Raschids? Khadija fragte sich, was die Träume ihr wohl diesmal zu sagen versuchten.
»Was ist Impotenz, Umma?« fragte Amira.
Sie waren in der Küche und stellten Tassen und Untertassen in das Spülbecken. Khadijas Nachmittagstee war gerade zu Ende. Sie hielt ihn jetzt nur noch jeden Freitag, während die Männer in der Moschee waren. Wenn sie für die weiblichen Familienmitglieder das Mittagsgebet vorgebetet hatte, ließ sie das Gartentor öffnen, und wie früher kamen Freundinnen und Besucher. Jetzt wusch sie mit ihren Enkeltöchtern das Geschirr ab. Die Dienstmädchen hätten das auch tun können, aber Khadija wollte ihre Enkeltöchter mit den häuslichen Pflichten vertraut machen, denn früher oder später würden sie heiraten.
Khadija hatte Amiras Frage nicht gehört. Sie trocknete die silberne Teekanne ab und beschäftigte sich in Gedanken mit der Lösung eines dringenden Problems.
Am Morgen hatte ihr Ibrahim vor dem Gang in die Moschee von seiner Vereinbarung mit Hassan berichtet. Hassan al-Sabir war bereits rechtmäßig mit Amira verlobt und sollte sie heiraten. Khadija hatte zu den Worten ihres Sohnes geschwiegen. Aber als sie ihm nachsah, während er in der Morgensonne davonfuhr, überkam sie eine schreckliche Vorahnung.
»Umma«, sagte Amira, »hast du gehört, was ich gefragt habe?«
Khadija sah ihre hübsche,
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