Das Paradies
wird, aber ich habe nie …«
»Jasmina! Beim Haupt des Sajjid Hussein! Ich rede von Amira!«
Ibrahim starrte ihn an. »Amira? Aber sie ist doch erst sechzehn!«
»Natürlich werden wir mit der Hochzeit warten, bis sie achtzehn ist. Aber ich sehe keinen Grund, weshalb du und ich uns nicht schon heute auf die Verlobung einigen sollten.«
Ibrahim runzelte die Stirn. »Amira? Darüber muß ich nachdenken.«
Hassan nahm sich zusammen. Seine Ungeduld durfte nicht alles zerstören. Er mußte die schöne Amira unter allen Umständen haben.
»Sie will studieren«, sagte Ibrahim.
»Das wollen heutzutage alle jungen Frauen«, erwiderte Hassan. »Die moderne Zeit läßt sie vergessen, wozu ihr Schöpfer sie geschaffen hat. Aber wenn sie erst einmal schwanger sind, dann verzichten sie gerne auf ihre Ausbildung.«
»Aber weshalb Amira?«
Hassan schwieg. Er konnte schlecht sagen: »Ich nehme die Tochter, weil ich schon immer Alice haben wollte.« Achselzuckend erwiderte er: »Warum nicht Amira? Sie ist jung, hübsch und anmutig. Sie hat Haltung und ein gutes Auftreten. Außerdem ist sie fügsam. Das sind alles Vorzüge, die ein Mann bei einer Frau sucht.« Stumm fügte er hinzu: Ich heirate sie nicht, um Söhne von ihr zu bekommen, denn ich habe bereits vier. Diesmal heirate ich, weil ich im Bett mein Vergnügen haben möchte. Und die sexuelle Erziehung der hübschen kleinen Amira wird bestimmt ein Vergnügen sein.
Während Ibrahim nachdachte, fand er, daß ihm Hassans unerwarteter Heiratsantrag beinahe gelegen kam. Amira würde irgendwann heiraten müssen, daran bestand kein Zweifel, auch wenn Ibrahim sie so lange als möglich im Haus behalten wollte. Und es gab wenige Heiratskandidaten, die seine Billigung fanden. Welcher Mann war gut genug, um die Hand seiner Tochter, seines Lieblings, zu verdienen? Und Hassan war seit der Studienzeit, seit seiner Jugend Ibrahims bester Freund …
»Das ist nicht nur eine Laune von mir«, erklärte Hassan mit Nachdruck, »sie bedeutet mir schon lange sehr viel.«
Ibrahim nickte.
»Du und ich, wir sind wie zwei Brüder. Wie viele Jahre kennen wir uns schon? Ich fühle mich in diesem Haus ohnehin bereits wie ein Mitglied der Familie. Weißt du noch, wie du, Nefissa und ich mit der Feluke gekentert sind?«
Ibrahim lachte – eine Seltenheit.
Hassan ließ nicht locker. »Warum soll ich nicht offiziell ein Mitglied dieser Familie werden? Es müßte tröstlich für dich sein, daß sie keinen Fremden heiratet. Ich glaube, wir kennen uns sehr gut. Ich meine, sie mag mich auch. Und ich werde ihr das Leben bieten können, das sie immer gehabt hat. Ich bin reich, Ibrahim. Ich habe Macht und großen Einfluß.«
»Das stimmt.«
»Du weißt, ein Mann in meiner Stellung muß seine Frau mit größter Sorgfalt wählen. Sie muß repräsentieren können und mir auch bei höchsten offiziellen Anlässen Ehre machen. Sie muß – ich benutze bewußt das verbotene Wort – eine Aristokratin sein. Und wie du weißt, ist die Auswahl nicht sehr groß.«
»Also gut«, sagte Ibrahim, »warum auch nicht? Du bist mein Bruder, und dein Glück ist auch mein Glück.« Er reichte Hassan die Hand und sagte ernst: »Ich bin einverstanden. Laß uns die Verlobungsurkunde aufsetzen …«
»Ich habe sie mitgebracht.« Als Ibrahim seinen Füllfederhalter aufschraubte, fügte er lachend hinzu: »He du, ich werde dein Schwiegersohn! Ist das nicht komisch?«
Nefissa wollte gerade an die Tür ihres Bruders klopfen, als sie ihren Namen hörte. Sie erkannte Hassans Stimme. Er sprach davon, wie sie einmal mit einer Feluke auf dem Nil gekentert waren. Damals war Nefissa erst ein Jahr verheiratet gewesen. Es lag schon sehr lange zurück, und sie staunte, daß Hassan sich überhaupt daran erinnerte. Als sie hörte, worüber die beiden Männer sprachen, fing ihr Herz wie rasend an zu klopfen. Sie konnte es nicht glauben: Hassan bat ihren Bruder, sie heiraten zu dürfen!
Wen sonst? Er sagte: »Wir kennen uns sehr gut … sie mag mich … sie muß eine Aristokratin sein … sie muß repräsentieren können.« Die Zeiten von Klassenzugehörigkeit und Privilegien waren also nicht vorüber, stellte Nefissa plötzlich glücklich fest. Es gab die Klassen noch immer, nur die Titel hatten sich geändert. Wer wußte nicht, daß Hassan nach der Revolution eine beispiellose politische Karriere gemacht hatte und in hohem Ansehen stand? Es hieß sogar, er würde als Richter an den Obersten Gerichtshof berufen werden. Er
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