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Das Paradies

Das Paradies

Titel: Das Paradies Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Barbara Wood
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Beinen auf dem gestampften Lehmboden und hatten ihre Galabijas untergeschlagen. Die von Scheich Hamid entliehenen Wasserpfeifen wurden angezündet, und sie rauchten Haschisch. Sarah wußte, ihr Vater konnte sich so ein Fest eigentlich nicht leisten, denn er war ein armer Bauer, der kaum genug verdiente, um seine Familie zu ernähren. Aber er war stolz und mußte bei der Hochzeit seiner ältesten Tochter seine Großzügigkeit und Gastfreundlichkeit unter Beweis stellen.
    Die Frauen kümmerten sich im Hof um das Essen und freuten sich über die seltene Gelegenheit, in ihrem harten Leben eine Stunde unbeschwerter Fröhlichkeit zu genießen. Bänke – ebenfalls von Scheich Hamid – waren für die alten Frauen da, während die anderen sich überall, wo sie in dem kleinen Innenhof einen freien Platz fanden, auf den Boden setzten. Sarah hatte vor dem Fest sorgsam gefegt, damit niemand sich auf den Kot von Hühnern und Ziegen setzen mußte. Der Chamsîn, der heiße Wüstenwind, hatte sich endlich gelegt, und die klare Frühlingssonne stand am Himmel.
    Nazirah mußte an diesem einen Tag in ihrem Leben nicht arbeiten. Sarah und ihre Mutter bedienten die Gäste. Sie brachten Teller mit scharf gewürztem Gemüse, Käse und gebratener Hühnerleber. Sarah verteilte bei den Männern im Haus in Schüsseln
hummus,
Erbsenbrei.
    Wie würde es wohl an ihrer Hochzeit sein, wenn Abdu mit einem Taschentuch um den Finger zwischen ihren Beinen kniete? Tat es sehr weh? Nazirah hatte laut aufgeschrien. War es so schmerzhaft wie die Beschneidung? Sarah sah ein, daß der Beweis der Keuschheit erbracht werden mußte. Wie sollte eine Familie sonst ihre Ehre verteidigen, die auf der Jungfräulichkeit der Töchter beruhte? Sie dachte an das arme Mädchen aus dem Nachbardorf. Man hatte sie tot in einem Feld gefunden. Ein Junge aus dem Dorf hatte sie vergewaltigt und damit ihre Familie entehrt. Der Vater und die Onkel hatten das Mädchen umgebracht. Das war ihr gutes Recht, denn ein Sprichwort sagte: »Nur Blut kann Schande reinwaschen.«
    Sarah richtete ihren Blick auf Aziz, den Bräutigam. Sie hielt ihn für einen sehr herrischen, übertrieben selbstbewußten jungen Mann, der überaus stolz auf seine Errungenschaften war, weil er nicht nur einen, sondern zwei Büffel besaß, drei Schafe und eine große Schar Hühner. Noch wichtiger war jedoch, daß er eigenes Land – fünf Morgen Land – bewirtschaftete, und das gab ihm in dem Dorf in der Tat eine besondere Stellung, wo die meisten Bauern, darunter auch Sarahs Vater, auf dem Grundbesitz der reichen Aristokraten arbeiteten, die weit weg in Kairo lebten. Alle Gäste waren sich darin einig, daß Nazirahs Eltern keinen besseren Mann für ihre Tochter hätten finden können. Doch Sarah stellte fest, daß Nazirah eher niedergeschlagen wirkte und nicht wie eine Frau, die sich glücklich preisen konnte.
    Aber die meisten Bräute waren bei der Hochzeit ängstlich; weil sie nicht wußten, was für einen Mann sie geheiratet hatten, und auf viele wartete ein unglückliches Leben. Sie ertrugen es stumm, denn eine Frau, die sich über ihren Mann beklagte, machte ihrer Familie Schande. Sarah jedoch wußte, sie würde an ihrer Hochzeit nicht ängstlich oder unglücklich sein, sie heiratete schließlich Abdu. Sie stand vor dem großen Kessel und rührte die Bohnen um, die dort schon seit vielen Stunden kochten. Jetzt rührte sie noch gehackten Knoblauch und Olivenöl darunter und fand, sie habe wirklich großes Glück, denn sie liebte schon jetzt den Mann, den sie heiraten würde. Ihr wunderbarer Abdu lachte immer so ansteckend und verbreitete überall gute Laune. Er machte Gedichte, und jedesmal, wenn er sie mit seinen großen Augen ansah, die so grün wie der Nil waren, wurde ihr ganz warm ums Herz. Sie kannten sich schon von klein auf, aber Abdu war vier Jahre älter als sie. Erst nach der letzten Ernte hatte Sarah begonnen, ihn mit anderen Augen zu sehen, und Abdu schenkte ihr eine andere Art Aufmerksamkeit. Im Dorf war man allgemein der Ansicht, daß Sarah und Abdu heiraten würden, schließlich waren sie Vetter und Cousine ersten Grades.
    Noch mehr Speisen wurden aufgetragen und gegessen – Linsensalat, Schafskäse auf Fladenbrot und mit Reis und Rosinen gefüllte Weinblätter –, und die Ausgelassenheit und der Lärm nahmen zu. Man brachte Musikinstrumente, und die Frauen begannen zu singen. Jussufs Schwester sprang auf, schlang sich ein Tuch um die Hüften und tanzte, während die Frauen im

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