Das Paradies
es schon sehen.«
Rachel schüttelte den Kopf. Seit sie als Ärztin selbständig war, hatte sie zugenommen. Mit dreiunddreißig sah sie wie eine Erd-Mutter aus, wie ihr Ehemann liebevoll sagte, und er fand das sehr sexy.
Amy sah sich suchend in der Menge um.
»Da sind ja wirklich ein paar Prominente hier«, sagte Rachel, die überrascht bekannte Gesichter entdeckte: der Astronom Carl Sagan, Dr. Spockund der Nobelpreisträger Linus Pauling. »Wen suchst du?« fragte sie. Noch ehe Amy antworten konnte, sah sie ihn. Er stand mit einem dampfenden Plastikbecher in der Hand neben einem Zeitungswagen.
»He, ist das nicht Dr. Connor?« fragte Rachel.
»Ja«, sagte Amy. »Ich habe ihn seit sieben Jahren nicht gesehen.«
Rachel sah sie erstaunt an. »Bist du seinetwegen gekommen?«
»Dort drüben ist seine Frau Sybil«.
Amy beobachtete Connor, bis er zufällig in ihre Richtung sah. Sein Blick glitt über sie hinweg, richtete sich jedoch sofort wieder auf sie. Als Amy seinen freudigen Gesichtsausdruck sah, setzte ihr Herz einen Schlag aus.
»Hallo!« rief Connor und kam zu ihnen herüber. »Amy, Sie werden es nicht glauben, aber ich hatte die Vorstellung, Sie würden heute hier sein.«
»Hallo, Dr. Connor. Ich glaube, Sie kennen meine Freundin Rachel nicht, oder?« Noch während sie sprach, fiel Amy ein, daß Rachels Anruf sie an ihrem letzten gemeinsamen Abend gestört hatte, als sie dicht davor gewesen waren, sich zu küssen. Sie fragte sich, was wohl geschehen wäre, wenn sie und Declan tatsächlich an jenem Abend zusammen gegessen hätten. Sie überlegte auch, ob er sich ebenfalls an den Abend erinnerte und daran dachte, was hätte geschehen können.
Amy fand, daß er sich kaum verändert hatte. Er sah eher noch besser aus als früher. Sein Gesicht war noch straffer und markanter geworden. Er war gebräunt und hatte Fältchen um die Augen. Aber in seinem Haar zeigte sich noch kein Grau, und seine großen Gesten sprachen von der Intensität und Kraft, an die sie sich erinnerte, an die Energie, die ihn antrieb. In sieben Jahren hatte sie neun Briefe aus neun verschiedenen Ländern von ihm erhalten.
»Wo ist Ihr Sohn, Dr. Connor?« fragte sie und trat beiseite, weil eine Gruppe Neuankömmlinge durch das Loch im Zaun wollte.
»Wir haben David nicht mitgebracht. Sybil und ich sind in der Absicht gekommen, uns festnehmen zu lassen.« Er lächelte spöttisch. »Es ist der einzige Weg, um eine anständige Publicity für die Sache zu bekommen.« Er blickte an Amy und Rachel vorbei und fragte: »Ist Ihr Mann nicht bei Ihnen?«
»Ich bin nicht mehr verheiratet. Greg und ich haben uns Anfang des Jahres scheiden lassen.«
Declan hob den Kopf und sah sie lange an. Er blickte ihr in die Augen, als sähe er ihr direkt ins Herz. Amy wich seinem Blick nicht aus.
»Ich wußte, daß Sie hier sein würden, Dr. Connor«, sagte sie irgendwie atemlos. »Ihr Name wurde in der Zeitung erwähnt. Ich bin gekommen, weil ich eine Neuigkeit für Sie habe.« Sie wandte sich an Rachel. »Und für dich auch.«
»Ah, jetzt kommt endlich die große Überraschung?!«
»Ich werde für die Treverton-Stiftung arbeiten.«
»Wie bitte?« sagte Connor. »Das ist ja phantastisch!« Amy hoffte einen Augenblick, er werde sie umarmen. Aber er überlegte es sich anders und sagte: »Sybil und ich sind auf der Durchreise in den Irak. Ich hatte ein paar Wochen keinen Kontakt mit der Stiftung und habe vermutlich deshalb noch nicht erfahren, daß Sie zu uns kommen. Dann geht es wohl nach Ägypten, nicht wahr? Wir haben im Niltal ein umfangreiches Impf-Programm laufen.«
»Nein«, sagte Amy schnell. »Ich gehe nicht nach Ägypten. Ich habe mich für den Libanon gemeldet, für die Flüchtlingslager. Dort herrscht große Not.«
»Überall herrscht große Not, Amy«, sagte er und sah sie wieder an. In seinen Augen lag etwas – Besorgnis, Unruhe? –, aber es verschwand sofort wieder. »Ich bin froh, daß Sie beschlossen haben, zu uns zu kommen«, sagte er. »Ich fürchtete, die Konkurrenz könnte Sie uns wegschnappen. Vielleicht eines der Lazarett-Schiffe, auf denen die Leute so viele Abenteuer erleben. Oh, das Programm beginnt.« Er lachte. »Wir haben die Reihenfolge ausgelost, in der wir sprechen. Mit Sicherheit werden nur die ersten ihre Reden überhaupt halten können.« Ein Gemurmel ging durch die Menge, und alle wurden still. Amy sah, daß eine Frau auf die Pritsche des Kombis geklettert war und ein Mikrophon in der Hand hielt.
»Das ist
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