Das Paradies
Dr. Helen Caldicott«, erklärte Connor, »die Gründerin der ›Physiker für soziale Verantwortung‹. Man nennt sie die Mutter der Bewegung für den Atomwaffenstop. Nach ihrer Theorie sind Raketen Phallus-Symbole, und die Militärs sind von einem Wahn besessen, den sie als ›Raketen-Neid‹ bezeichnet. Ein hübsches Freudsches Wortspiel, finden Sie nicht?«
Amy trat näher an den Zaun und hörte der australischen Kinderärztin zu. »Man muß unseren Planeten ansehen, als sei er ein Kind!« sagte Helen Caldicott, und ihre Stimme drang laut und klar über die Köpfe der Zuhörer hinweg. »Bei diesem Kind hat man Leukämie diagnostiziert! Stellen Sie sich vor, es sei Ihr Kind. Würden Sie nicht alles Menschenmögliche unternehmen, um Ihr Kind am Leben zu erhalten?«
Während der Rede der etwa vierzigjährigen Kinderärztin stand Amy so dicht neben Connor, daß sie sich beinahe berührten. Er hielt sich mit einer Hand am Zaun fest. Seine Finger lagen auf dem Maschendraht und wurden in der Kälte blau. Amy mußte sich beherrschen, um nicht ihre Hand auf seine zu legen. »Also, jetzt bin ich an der Reihe«, sagte er schließlich. »Drücken Sie mir die Daumen, daß ich wenigstens meinen ersten Satz beenden kann.« Er zwinkerte ihr auf eine Weise zu, daß ihr der Atem stockte.
Connor kletterte zu Dr. Caldicott auf den Kombi und übernahm das Mikrophon. Seine knappe britische Aussprache und seine gebieterische Stimme brachten schon nach den ersten Worten selbst die Polizisten und CIA -Agenten dazu, ihm zuzuhören.
»Die augenblickliche nukleare Aufrüstung ist nicht nur unverantwortlich, sie ist nackter Wahnsinn. Es ist eine Schande für diese Nation, daß die Ausgaben für das Gesundheitswesen nicht einmal siebzehn Prozent des Verteidigungshaushalts ausmachen.« Amy wandte den Blick nicht von Connor. Der Wüstenwind fuhr in seine dunkelbraunen Haare und preßte ihm das Tweedjackett gegen den Oberkörper. »Was bedeutet das für die Zukunft dieses Planeten? Welches Erbe hinterlassen wir unseren Kindern? Ein Erbe von Bomben, radioaktiver Strahlung und Angst! Angst um das Überleben! Niemand wird mit dem, was er hat, sei es wenig oder viel, ein glückliches Leben führen können!«
Er blickte über die Köpfe der Menge zu ihr herüber. Amy wurde rot. Über ihnen kreiste ein Falke. Er spähte gleitend auf die schweigende Menge hinunter und floh dann in pfeilschnellem Flug vor einem Hubschrauber.
»Wir alle tragen Verantwortung für die Kinder der Welt!« Connors Stimme überschlug sich beinahe. Er wollte das laute Dröhnen des Hubschraubers übertönen. »Es ist die Pflicht der Eltern, dafür Sorge zu tragen, daß sie ihren Söhnen und Töchtern einen gesunden, friedlichen Planeten hinterlassen, die Aufgabe jedes einzelnen.«
Amy hielt den Atem an. Sie hatte es nicht für möglich gehalten, daß sie ihn immer noch so sehr liebte!
Der Hubschrauber kreiste über ihnen.
Ein Polizist mit einem Megaphon rief plötzlich in die Menge: »Sie befinden sich unbefugterweise auf staatlichem Grund und Boden. Dies ist eine illegale Versammlung. Wenn Sie das Gelände nicht sofort verlassen, werden Sie festgenommen.«
Declan Connor ignorierte den Mann und sprach weiter.
Der Polizeibeamte wiederholte seine Warnung, und als Connor unbeirrt fortfuhr, begannen die Festnahmen. Amy staunte, wie ordentlich und friedlich die Demonstration aufgelöst wurde. Es gab keine Unruhe, keine Gewalt und kaum Widerstand. Und als Connor vom Wagen stieg, und ein Militärpolizist ihn am Arm packte und abführte, ging er ruhig zu dem wartenden Militärfahrzeug. Sybil Connor folgte ihm.
»Na also, jetzt haben sie ihn ja verhaftet, so, wie er es wollte.«
Ein Fernsehreporter trat Connor in den Weg und hielt ihm ein Mikrophon hin. »Wollen Sie unseren Zuschauern etwas sagen?«
Connor sah ihn ernst an. »Es ist ungeheuerlich, daß in unserer Zeit überall auf der Welt immer noch Kinder an Polio sterben. Man trifft in Kenia auf ein armes verkrüppeltes Kind und muß ihm sagen, daß es den Rest seines Lebens gelähmt sein wird. Dafür gibt es keine Entschuldigung. Und während diese verdammten nuklearen Sprengköpfe für ungeheure Summen und mit einem großen Risiko für den Planeten produziert werden, sterben in der Dritten Welt Tag für Tag mehr als vierzigtausend unschuldige Kinder an Krankheiten, die sich durch rechtzeitige Impfungen leicht verhindern lassen.«
Connor wurde weitergeführt, und der Reporter rief ihm hinterher: »Es ist doch wohl
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