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Das Paradies

Das Paradies

Titel: Das Paradies Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Barbara Wood
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Kleidern und Bettzeug wurden gepackt. Jetzt hatte die Familie ein strategisches Ziel: das Frauengefängnis! Die Raschids, allen voran Khadija, würden nicht ruhen, bis ihre Verwandten aus diesem schrecklichen Bau entlassen worden waren!
    Während Khadija die Neffen und Vettern anwies, Protestbriefe an Präsident Sadat zu entwerfen, winkte Ibrahim sie beiseite und sagte: »Mutter, da ist noch etwas, was die anderen nicht erfahren dürfen. Jasmina …« Er verstummte und sah sich um, weil er sich vergewissern wollte, daß niemand zuhörte. »Mutter, man hat meine Tochter zusammen mit einem Mann verhaftet.«
    Khadija hob die fein gezogenen Augenbrauen. »Ein Mann? Was für ein Mann?«
    »Der Herausgeber einer Zeitung. Die Zeitung gehört ihm, er schreibt die Leitartikel und druckt sie. Es ist eine kleine radikale Zeitung. Er hat einiges von Jasmina und Dahiba veröffentlicht.«
    »Wie bitte? Wovon redest du?«
    »Sie haben … geschrieben, ich meine, Gedichte … Das ist der Grund für die Festnahmen. Jasmina und Dahiba haben …« Er suchte verlegen nach Worten, »… feministische Artikel geschrieben …«
    Khadija sah ihn mit unbewegtem Gesicht an. »Hat man sie in der Zeitungsredaktion verhaftet?«
    »Nein.« Ibrahim biß sich auf die Lippen. »Sie waren in Jasminas Wohnung … allein, und es war nach Mitternacht.«
    Noch ehe Khadija etwas erwidern konnte, hörten sie Omar im Salon. Er fragte mit seiner dröhnenden Stimme: »Wo ist Onkel Ibrahim? Ich habe die Neuigkeit von meinem Chef erfahren, der ein Freund von Achmed Kamal ist! Heißt das, wir fahren nach El Kanatir?«
    Khadija sagte leise zu ihrem Sohn: »Wir werden später darüber reden. Sag den anderen nichts.«
    Als Omar seine Großmutter sah, rief er: »Gottes Preis und Segen sei mit dir! Keine Angst, Umma, wir holen unsere Cousine und unsere Tante aus diesem scheußlichen Loch heraus!« Omar war beinahe vierzig, und die allzu große Liebe zum Nachtleben von Damaskus, Kuwait und Bagdad hatte ihn dick und schwerfällig gemacht. Und weil er seit achtzehn Jahren den Männern auf den Ölfeldern Befehle erteilte, sprach er selbst im Haus laut und herrisch.
    »Wo ist mein Sohn? Es ist Zeit, daß er sich einmal nützlich macht. Er soll zur Kanzlei von Samir Schoukri gehen. Er ist der beste Anwalt Kairos …«
    Der Achtzehnjährige kam in der langen weißen Galabija und dem Käppchen der Muslimbrüder in den Salon – Präsident Sadat hatte diese Gruppe vor kurzem verboten.
    »Was soll dieses Kostüm, du Hundesohn?« schrie Omar und versetzte Mohammed mit der flachen Hand einen Schlag auf den Kopf. »Willst du, daß wir alle verhaftet werden? Deine Mutter muß geschlafen haben, als du gezeugt worden bist! Zieh dir sofort etwas Anständiges an, du Schwachkopf!« Er schlug ihn noch einmal.
    Niemand regte sich über Omars Grausamkeit auf, am allerwenigsten Mohammed, der gehorsam verschwand, um sich schnell umzuziehen. Denn wie sollte ein Mann sich bei seinem Sohn Respekt verschaffen, wenn er ihm nicht zeigte, wer der Herr im Haus war? Ibrahim konnte sich daran erinnern, daß Ali, sein Vater, ihm oft in Gegenwart von Fremden Ohrfeigen verpaßt und ihn ausgeschimpft hatte.
    Als die anderen zu den Wagen eilten – einige, um Regierungsbeamte aufzusuchen, die vielleicht eine Entlassung befürworten würden, Omar und Mohammed, um sich mit dem Anwalt zu beraten, und die übrigen, um geradewegs zum Gefängnis zu fahren –, zog Khadija ihren Sohn in das Vestibül neben der Eingangshalle und sagte: »Bring mir diese Zeitungsartikel, die der Grund für die Verhaftung meiner Tochter und Enkeltochter sind. Erkundige dich nach dem Mann, der mit Jasmina festgenommen wurde – ich möchte seinen Namen wissen, alles über seine Familie und so weiter. Aber wir müssen darauf achten, daß diese Informationen nicht bekannt werden. Versprich mir, niemand darf erfahren, daß die beiden allein in Jasminas Wohnung waren, als die Polizei sie verhaftet hat. Jasminas Ehre und noch sehr viel mehr steht auf dem Spiel. Ich möchte die Wahrheit wissen, denn nur dann kann ich mir ein eigenes Urteil bilden.«
     
    Man hatte sie mit sechs anderen Frauen in eine Zelle für vier Personen gebracht. Nur eine der Frauen war wie Jasmina und Dahiba aus politischen Gründen verhaftet worden. Die Geschichten der anderen ähnelten sich, obwohl man sie unterschiedlicher Vergehen beschuldigte. Die Frauen waren alle von ihren Ehemännern im Stich gelassen worden, ohne finanzielle Mittel, um für sich

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