Das Paradies
Gesicht in die kühle, trockene Wüstenluft. Sie atmete tief, um einen klaren Kopf zu bekommen.
Plötzlich war ihr alles zuviel – die Rückkehr nach Ägypten und das Wiedersehen mit Connor. »Ich bin froh, daß ich Sie unterstützen kann«, sagte sie ausweichend.
»Sie kommen nicht nur als meine Assistentin, Amy. Sie sind meine Nachfolgerin.«
»Ihre Nachfolgerin?«
»Hat man Ihnen das nicht gesagt? Sie werden meine Stelle übernehmen, wenn ich weg bin.«
»Nein, davon war keine Rede. Wann gehen Sie?«
»Tut mir leid. Ich dachte, Sie wüßten es. Ich höre in elf Wochen hier auf. Knight in Schottland hat mir die Stelle des Direktors der Abteilung für Tropenmedizin angeboten.«
»Schottland! Heißt das Forschung und Entwicklung? Ein Lehramt?«
»Verwaltung. Ein Schreibtisch-Job, von neun bis fünf. Keine Patienten mehr, kein Busch-Krankenhaus, wo auf ein Bett zwei Leute kommen. Offen gesagt, Amy, ich habe Sonne und Palmen satt!« Er sagte das so heftig, daß Amira innerlich zusammenzuckte. Sie schwieg. Connor schien wie ein Vulkan vor dem Ausbruch, und deshalb ließ sie ihn reden. »Und ich habe es satt, zu versuchen, Menschen zu helfen, die es ablehnen, sich selbst zu helfen. Die meisten Männer träumen davon, ihr Alter in den Tropen zu verleben, aber ich gehe dorthin, wo es viel Regen und Nebel gibt.«
»Was ist mit Ihrer Frau? Was wird sie tun?«
Er umklammerte das Steuer fester, während der Geländewagen mit hoher Geschwindigkeit über die Wüstenstraße fuhr. »Sybil ist tot. Sie ist vor drei Jahren in Tansania gestorben.«
»Das tut mir leid.« Amira hielt den Kopf wieder aus dem Fenster. Die Luft roch jetzt nach Lehm, Gras und Wasser. Sie hatte sich nicht geirrt: Declan
war
zornig. Sie sah es an seinen weißen Knöcheln und hörte es an seiner Stimme. Aber weshalb war er so enttäuscht? Hatte ihn der Tod seiner Frau aus dem Gleichgewicht gebracht?
Die Wüste endete, und bald fuhren sie an Feldern mit Winterweizen und Luzerne vorbei, die von zerlumpten Vogelscheuchen bewacht wurden. Fellachen mit hochgebundenen Galabijas stützten sich auf ihre Hacken und winkten dem vorüberfahrenden Wagen fröhlich zu.
Amira fragte: »Und was macht Ihr Sohn David?«
»Er ist inzwischen neunzehn und studiert in England. Ein intelligenter Junge. Ich staune, daß er sich so gut entwickelt hat, wenn man bedenkt, welches unbeständige Leben er als Kind führen mußte. Sobald ich mich in Schottland eingelebt habe, werde ich ihn zu mir nehmen. Und dann werden wir zusammen in aller Ruhe Forellen angeln.«
»Das klingt, als wollten Sie die Arbeit für die Stiftung völlig aufgeben.«
»So ist es. Ich hänge die Medizin endgültig an den Nagel, Amy.«
Auf einem Lehmweg zwischen Feldern kamen sie an einem Mann vorbei, der seitlich auf seinem Esel saß, den er mit dem Stock antrieb. Der Mann hob grüßend die Hand und fragte auf arabisch: »Ist das die neue Braut, Doktor? Wann ist die Hochzeitsnacht?«
Connor erwiderte:
»Bukra fil mischmisch, Abu Aziz!«
Der Alte lachte.
»Bukra fil mischmisch«,
murmelte Amira und mußte an Zacharias denken, der sie als erster Mischmisch genannt hatte.
Declan grinste und sagte mehr zu sich selbst: »Morgen, wenn die Aprikosen blühen. Eigentlich eine nette Art, um jemandem zu sagen: ›Nun halt mal die Luft an‹«.
Amira sah die Spannung an seinen Halsmuskeln und am Unterkiefer. Sie überlegte, wie Sybil wohl gestorben war und weshalb er es ihr nicht sagte. »Ihr Arabisch scheint inzwischen besser zu sein, Dr. Connor.«
»Ich habe mir Mühe gegeben. Ich erinnere mich noch gut daran, wie Sie beim Übersetzen über meine Aussprache gelacht haben.«
»Ich hoffe, ich habe Sie damit nicht beleidigt.«
»Überhaupt nicht. Ihre Art zu lachen gefällt mir. Und meine Aussprache
ist
schrecklich. Trotzdem konnte ich Arabisch immer besser sprechen als lesen oder schreiben. Es hat mir geholfen, daß ich in Kenia geboren und als Kind Swahili gesprochen habe, das stark vom Arabischen beeinflußt ist. Es ist eine wunderschöne Sprache. Haben Sie nicht einmal gesagt, Arabisch klingt wie Wasser, das über Steine fließt?«
»Ja, das stimmt. Allerdings habe ich damit nur jemanden zitiert. Bevorzugen Sie beim Tischgebet übrigens immer noch den kleinen Nasenmuskel?«
Er lachte, und Amira kam es vor, als sei er endlich etwas lockerer. Als er ihr einen schnellen Blick zuwarf, sah sie flüchtig den alten Connor vor sich. »Das haben Sie wohl nicht vergessen?« fragte er.
Sie wollte sagen:
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