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Das Paradies

Das Paradies

Titel: Das Paradies Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Barbara Wood
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Hemd und daran, wie sie ihn in diesem Augenblick gebraucht hatte – diese Erinnerung verfolgte ihn. Er hatte sich noch mit keiner Frau so intensiv beschäftigt. Warum war sie ihm so wichtig? Wollte er nur mit ihr schlafen? Vermutlich war es das. Er verwünschte sich deshalb. Er hatte kein Recht dazu, nachdem Sybil im Grab lag.
    Er ging zum Rand der Veranda und blickte auf den dunklen Fluß, über dessen tintenschwarzes Wasser der Mond ein silbernes Band warf.
    Als dumpfes Trommeln einsetzte, dachte Declan im ersten Augenblick, es sei der Donner, den sie den ganzen Tag gehört hatten. Er warf die Zigarette weg und trat sie aus. Das waren eindeutig Trommeln. Um diese Zeit?
    Langsam ging er von seinem kleinen Haus am Nil in Richtung Dorf. Beim Näherkommen wurde das Trommeln lauter. Er konnte den Rhythmus ausmachen. Wer feiert mitten in der Nacht ein Fest?
    In Al Tafla war alles still. Kein Licht fiel durch ein Fenster, nicht einmal in Walids Kaffeehaus. Wegen der Dschinns und der bösen Geister, die die Dunkelheit bevölkerten, vermieden die Dorfbewohner es, nachts unterwegs zu sein. Trotz der Hitze waren die Türen verriegelt und die Fensterläden geschlossen, um den Dämonen oder dem Fluch eines neidischen Nachbarn keinen Einlaß zu gewähren.
    Die Krankenstation war dunkel und abgeschlossen. Auch in Amiras Zimmer an der Seite brannte kein Licht.
    Zu seiner Überraschung sah Declan jedoch den Widerschein von Fackeln zwischen den Hofmauern hinter dem Haus, wo sich der Backofen, die Wäschezuber und der Hühnerstall befanden. Er ging durch die Gasse, die so eng war, daß er mit den Schultern die Lehmmauern streifte, und entdeckte im Hof Männer mit Musikinstrumenten – hölzerne Flöten, eine Art Fiedel mit zwei Saiten und breite flache Trommeln, die rhythmisch über heißen Kohlen geschlagen wurden. Auch Frauen waren anwesend. Declan sah Khalids Frau, Walids Schwester und die alte, in hohem Ansehen stehende Bint Omar. Die Frauen umkreisten Kohlebecken mit brennendem Räucherwerk und murmelten Beschwörungen oder Anrufungen. Er konnte die Worte nicht verstehen, es war kein Arabisch.
    Plötzlich begriff er, was sie vorhatten – einen
zaar,
einen rituellen Trance-Tanz, mit dem man Dämonen austrieb. Dabei versetzten sich die Tanzenden in eine solche Raserei, daß sie die Kontrolle über sich verloren. Üblicherweise erlaubte man Fremden nicht, an einem
zaar
teilzunehmen oder auch nur zuzusehen. Aber Declan hatte in Tunesien einmal heimlich einen Trance-Tanz beobachtet – einen
stambali
 –, bei dem einer der Tänzer einen Herzschlag erlitten hatte und tot umgefallen war.
    Connor dachte alarmiert: Wo ist Amira?
    Er wollte in den Hof gehen, aber plötzlich stand eine Frau vor ihm und versperrte ihm den Weg.
»Haram«,
sagte sie. »Verboten!«
    Eine andere Frau, die Scheika des Dorfes, kam langsam auf ihn zu. Die Scheika war eine mächtige Frau in Al Tafla. Die Tätowierung an ihrem Kinn verriet, daß sie von stolzen Beduinen abstammte. Er hatte mit ihr wegen der Beschneidung kleiner Mädchen einmal eine Auseinandersetzung gehabt, weil ein paar der Kinder eine Infektion bekamen.
    Zu seiner Überraschung verneigte sie sich und sagte: »Kommen Sie, Sajjid.«
    Ein paar der Frauen, die auf Bänken entlang der Hofmauern saßen, begrüßten ihn mit einem Lächeln oder einem Nicken.
    Die Frauen gingen langsam im Kreis, hoben und senkten die Arme, stampften mit den Füßen und bewegten den Kopf oder die Schultern. Die Männer trommelten ohne Unterlaß, und der Mann mit der Fiedel spielte eine klagende, schrille Melodie. Die Scheika zündete Kerzen und Räucherwerk an. Bald verbreiteten sich exotische Düfte in der schwülen Nachtluft.
    Declan war beunruhigt, denn er sah Amira noch immer nicht. Wie konnte sie bei dem Lärm und den vielen Menschen schlafen? Die Trommeln hallten laut durch die Nacht. Es war seltsam, daß auf dem Gelände der Stiftung ein Trance-Tanz stattfand. Aus welchem Grund?
    Er suchte sich einen Platz dicht an der Mauer und setzte sich auf den Boden. Das rhythmische Dröhnen der Trommeln steigerte seine Unruhe, und er stand wieder auf.
    Als alle Kerzen brannten, gab die Scheika den Musikanten ein Zeichen. Die Trommeln verstummten bis auf eine. Der Trommler in einer langen weißen Galabija und einem weißen Turban schritt langsam durch den Hof und schlug einen monotonen Rhythmus. Die Frauen im Kreis blieben stehen, schlossen die Augen und wiegten sich langsam von einer Seite zur anderen. Nach drei Runden

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