Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Das Paradies

Das Paradies

Titel: Das Paradies Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Barbara Wood
Vom Netzwerk:
veränderte der Trommler den Rhythmus, nach weiteren drei Runden wechselte er ihn noch einmal. Eine zweite Trommel fiel kontrapunktisch ein, eine dritte, eine vierte und die fünfte folgten.
    Declan wußte, was die Männer taten. In der Vorstellung der Fellachen sprachen bestimmte Rhythmen die Geister an. Jeder Geist hatte seine eigene Kadenz, auf die er reagierte, sobald er sie hörte. Die Trommeln warfen sozusagen Netze aus, um die Geister darin zu fangen. Eine der Frauen begann plötzlich zu tanzen. Sie stampfte und zuckte wie ein Fisch, der sich in einem Netz gefangen hat. Declan sah voll Staunen, mit welcher Anmut und wie gelenkig sich die korpulente Frau bewegte. Aber noch war sie nicht in Trance.
    Die Trommeln fanden wieder zu einem einheitlichen Rhythmus, während immer mehr Frauen anfingen zu tanzen – jede in einem anderen Takt und mit eigenen Bewegungen, die ihrem persönlichen, inneren Rhythmus entsprachen.
    Declan sah, wie die Scheika durch die Hintertür im Haus verschwand. Seine Spannung stieg.
    Und dann erschien Amira.
    Sie war nicht allein. Sie wurde auf beiden Seiten von je zwei Frauen gestützt, ihre Augen waren geschlossen, und der Kopf hing zur Seite. Ihre schlafwandlerischen Bewegungen machten den Eindruck, als hätte sie Drogen genommen. Sie trug einen leuchtend blauen Kaftan, Blau, so hatte man Declan einmal erklärt, sei eine Farbe, die alle Geister beruhigte und besänftigte, denn es war die Farbe des Himmels.
    Die Trommler gingen im Kreis um Amira herum. Die Frauen stützten sie immer noch. Dann stieß die Scheika laute und schrille Schreie aus. Es klang, als rufe sie jemanden. Sie hob die Arme. Ihr Schatten wurde überlebensgroß auf die gegenüberliegende Wand geworfen. Sie bewegte sich nicht, aber im zuckenden Schein der Kerzen schien ihre Silhouette zu tanzen.
    Plötzlich sank Amira zu Boden. Declan machte unwillkürlich einen Schritt auf sie zu. Aber starke Hände hielten ihn zurück.
    Die Frauen ließen Amira los, und sie kniete mit geschlossenen Augen in der Mitte des Kreises. Als sie begann, sich langsam von einer Seite auf die andere zu wiegen, griffen die anderen Musikanten wieder nach ihren Instrumenten.
    Die Musik war gespenstisch, schrill und hypnotisch. Declan stand wie angewurzelt da und beobachtete, wie Amira sich mit zurückgeworfenem Kopf und vorgestreckten Armen auf den Knien wiegte. Ihr Turban verrutschte. Die Scheika war sofort zur Stelle, nahm ihn ab, und Amiras Haare fielen ihr auf die Schultern. Die Frauen öffneten und schlossen den Kreis. Sie boten Schutz, und sie ermutigten Amira. Ihre Bewegungen wurden ausgreifender, schneller und heftiger. Sie beugte sich im Rhythmus der Trommeln vor und zurück. Die lange Haare peitschten die Erde. Der Vollmond kam hinter den Dächern hervor und verbreitete ein übernatürliches Licht. Als Amira plötzlich aufsprang, leuchtete der blaue Kaftan so hell zwischen den schwarzen Frauen wie der Kamm einer windgepeitschten Welle.
    Die Musik wurde lauter und schneller. Jemand begann zu singen. Amira überließ sich den Trommeln. Sie bewegte sich ruckhaft und stampfte mit den Füßen. Die Schreie der Scheika wurden noch lauter und schriller.
    Amira ließ den Kopf kreisen und hielt dabei die Arme in Schulterhöhe ausgestreckt, als seien sie von unsichtbaren Schnüren an den Handgelenken gehalten. Ihr langes blondes Haar glänzte im Fackelschein, beschrieb erst langsame und dann schnellere, immer schnellere Kreise in der Luft. Die Melodie der Fiedel und der Flöten schraubte sich in unerträgliche Höhen. Die Beschwörung der Scheika mündete in einen langgezogenen Schrei.
    Declan glaubte, der Kopf müsse ihm zerspringen. Aber er konnte den Blick nicht von den Haaren wenden, die ihn fesselten, hypnotisierten und peitschten.
    Amiras Augen standen offen, aber man sah nur das Weiße. Ihr Blick hatte sich nach innen gerichtet. Sie war in Trance und nicht mehr bei Bewußtsein.
    »Das reicht!« rief Connor und trat in den Kreis. »Halt!« Die Scheika trat ihm in den Weg. »
Haram,
Sajjid!« Aber er schob sie beiseite, nahm Amira schnell auf die Arme und trug sie aus dem Hof.
    Sie lag schlaff in seinen Armen, während er durch die dunklen Gassen eilte. Sie kam erst wieder zu Bewußtsein, als er den Nil erreichte und sie behutsam auf das grasbewachsene Ufer legte.
    »Declan …« flüsterte sie.
    »Was zum Teufel sollte das Ganze?« sagte er, kniete sich neben sie und schob ihr die nassen Haare aus dem Gesicht. »Ein Trance-Tanz ist

Weitere Kostenlose Bücher