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Das Paradies

Das Paradies

Titel: Das Paradies Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Barbara Wood
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Ausgehen angezogen hatten, hüllte sich Nefissa von Kopf bis Fuß in ein schwarzes Tuch, eine Melaja, und schließlich sah man nur noch ihre Augen. »Umma verlangt das von uns!« erklärte sie Alice lachend. »Meine Mutter glaubt, auf den Straßen von Kairo lauern nur gefährliche Sünder und teuflische Versuchungen. Männer stehen an jeder Straßenecke und warten darauf, einer Frau die Ehre zu rauben! Keine Angst, Alice«, fügte sie beruhigend hinzu, als sie das entsetzte Gesicht ihrer Schwägerin sah, »du bist keine Muslimin, und diese Vorschriften gelten nicht für dich.«
    Aber Alice mußte sich eine gewisse Anpassung auferlegen. Ihr fehlte der gebratene Speck zum Frühstück; es gab keine Koteletts mehr und keinen Schinken, denn Schweinefleisch und auch Alkohol waren nach islamischem Gesetz verboten. Also trank man auch zum Essen keinen Wein und anschließend gab es keinen Brandy. Ibrahims Verwandte sprachen nur arabisch, obwohl sie jederzeit bereit waren, Alice alles zu übersetzen, was sie wissen wollte. Am schwierigsten fand Alice die seltsame Trennung von Frauen und Männern im Haus. Ibrahim durfte jederzeit jedes Zimmer betreten, aber die Frauen, sogar seine Mutter, mußten ihn um Erlaubnis bitten, wenn sie ihn im anderen Teil des Hauses besuchen wollten. Wenn Ibrahim mit männlichen Gästen nach Hause kam, rief er: »Ja Allah!«, und dann zogen sich alle Frauen sofort zurück, um nicht gesehen zu werden.
    Und dann war da noch die Sache mit der Religion. Khadija hatte Alice sehr freundlich darauf hingewiesen, daß es in Kairo viele christliche Kirchen gab und sie jederzeit in eine dieser Kirche gehen konnte. Aber Alice war nicht in einem strenggläubigen Haus aufgewachsen und nur zu besonderen Anlässen in der Kirche gewesen. Khadija hatte sie mit großem Interesse gefragt, warum es so viele unterschiedliche christliche Kirchen gab und Alice hatte erwidert: »Wir haben verschiedene Glaubensrichtungen. Gibt es nicht auch Muslimsekten?« »Oh ja«, hatte Khadija erwidert, »aber trotzdem sind wir alle Muslime und besuchen dieselbe Moschee, auch wenn jemand einer Sekte angehört.« Als Khadija mit ihr über die Bibel der Christen reden wollte und nicht verstand, weshalb es mehr als eine Fassung gab, denn es gab nur einen Koran, mußte Alice gestehen, daß sie es nicht wußte.
    Aber man hatte sie sehr herzlich und liebevoll in der Familie aufgenommen. Alle nannten sie Schwester oder Cousine. Man behandelte sie so, als lebe sie schon immer bei den Raschids. Und alles würde ganz vollkommen sein, wenn das Baby geboren war …
    Ibrahim kam auf die Terrasse und rief: »Da bist du ja, mein Schatz!« »Ich mußte an die frische Luft«, erwiderte sie und dachte: wie gut er doch in seinem Frack aussieht. »Mir ist der Champagner in den Kopf gestiegen!«
    Er legte ihr fürsorglich eine Pelzstola um die Schultern. »Es ist kalt hier draußen, und ich muß mich jetzt um zwei kümmern.« Er hatte ihr eine Praline mit Trüffelfüllung mitgebracht und schob sie ihr zwischen die Lippen, küßte sie und biß sich dabei ein Stück ab.
    Ibrahim zog sie eng an sich. »Bist du glücklich, Liebling?«
    »So glücklich wie noch nie in meinem Leben.«
    »Hast du Heimweh?«
    »Nein … nun ja, ein wenig. Mir fehlt meine Familie.«
    »Es tut mir leid, daß du dich mit deinem Vater zerstritten hast und daß er mich ablehnt.«
    »Das ist nicht deine Schuld. Ich kann nicht mein Leben nach seinen Wünschen führen, nur damit er zufrieden ist.«
    »Weißt du, Alice, ich habe mein ganzes Leben nichts anderes getan. Ich habe versucht, die Wünsche meines Vater zu erfüllen, und es ist mir nicht immer ganz gelungen.« Er zögerte und fügte dann leise hinzu: »Ich habe das noch keinem Menschen gesagt, aber ich bin mir immer ein wenig als ein Versager vorgekommen.«
    »Du bist kein Versager, Liebling!«
    »Wenn du meinen Vater gekannt hättest, Gott gebe ihm Frieden, dann würdest du wissen, wovon ich rede. Er war überall bekannt, besaß große Macht und noch mehr Einfluß, und er war sehr reich. Ich wuchs in seinem Schatten auf, und ich kann mich an kein freundliches Wort von ihm erinnern, das mir gegolten hätte. Er war nicht böse, Alice, aber er gehörte zu einer anderen Generation. Er gehörte noch in eine Zeit, als man die Ansicht vertrat, Zuneigung für einen Sohn zu zeigen, schade seinem Charakter. Manchmal glaube ich, mein Vater hat von mir erwartet, am Tag meiner Geburt bereits erwachsen zu sein. Ich hatte keine Kindheit oder nur

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