Das Paradies
beiden nicht wieder einladen. Ich hatte keine Ahnung von ihren Ansichten. Jedenfalls gehen sie mir mit ihrem politischen Gerede schrecklich auf die Nerven. He, du siehst ja ganz zufrieden aus.«
Ibrahim strahlte. Er blickte in Richtung Garden City und hatte gerade den schönen Gedanken, daß die langsame Strömung des Nils wie das Vergehen der Zeit ist. »Ich habe an Alice gedacht, Hassan«, erwiderte er glücklich, »und frage mich, wieso ich ihre Liebe eigentlich verdient habe.«
Hassan hatte zufälligerweise auch an Ibrahims Frau gedacht, die in diesen Tagen ihr Kind erwartete. Mehr als einmal spielte er mit dem Gedanken, Lady Alice in seinem Bett zu haben. Er träumte von ihren weißen Armen und Schenkeln, von den einzigartigen platinblonden Haaren, und er erinnerte sich, daß in Monte Carlo sein Blick auf sie gefallen war, als Ibrahim die aristokratische Blondine noch nicht bemerkt hatte. Aber irgendwie hatte Ibrahim sie dann später für sich gewonnen. Zu Hassans Lieblingsvorstellungen gehörte es inzwischen, sie auf sein Hausboot einzuladen und ihr dann seine pornographische Sammlung zu zeigen. Wäre sie schockiert oder würde sie Gefallen daran finden? Vielleicht sogar beides? Hassan zügelte sein Verlangen nur Ibrahim zuliebe, denn seinem Freund gegenüber wollte er loyal bleiben, sonst hätte er schon längst versucht, mit Lady Alice zu schlafen.
»Übrigens«, sagte Hassan und blickte auf sein Spiegelbild im Fenster und war mit dem gutaussehenden jungen Mann, der ihm entgegenlächelte, sehr zufrieden, »ein Vetter des Mannes meiner Schwester ist zu mir gekommen. Er bewirbt sich um eine Stelle im Gesundheitsministerium. Kannst du deinen Einfluß nutzen und mir damit eine Gefälligkeit erweisen?«
»Ich sehe den Minister am Samstag beim Golf. Sag deinem Verwandten, er soll mich übermorgen anrufen. Ich werde dafür sorgen, daß der Mann die Stelle bekommt.«
In diesem Augenblick kam Hassans Kammerdiener an Deck und sagte: »Dr. Raschid, man hat gerade angerufen. Bei Ihrer Frau haben die Wehen eingesetzt.«
»
Al hamdu lillah
! Gelobt sei Gott!« rief Ibrahim, »mein Sohn wird geboren!« und eilte an Land.
Nefissa war eine gute Freundin der Prinzessin und oft im Palast. Sie ging hinter einem großen, schweigenden Nubier her. Er trug eine weiße Galabija, rote Weste und einen roten Turban und war einer der zahllosen Diener in diesem Palast mit über zweihundert Räumen im Herzen von Kairo, deren einzige Aufgabe darin bestand, die Wünsche und Bedürfnisse der Prinzessin und ihres Mannes zu erfüllen. Der Palast war in osmanischer Zeit erbaut worden und eine exotische Mischung aus persischer und maurischer Architektur. Er war ein Labyrinth aus Gängen, Zimmerfluchten und Gärten. Während Nefissa dem stummen Nubier durch den märchenhaften marmornen Bogengang zum Treffpunkt folgte, hörte sie leise Walzerklänge eines Orchesters – die Prinzessin hatte Gäste.
Schließlich erreichten sie einen Teil des Palastes, den Nefissa kaum kannte. Der Diener schlug einen Samtvorhang zur Seite, und Nefissa betrat einen großen Saal mit einem wunderschönen Springbrunnen in der Mitte. Sie wußte, es war der alte Harem, der nicht mehr benutzt wurde. Der Fußboden bestand aus glänzendem, dunkelblauem Marmor, der den Eindruck von tiefem Wasser erweckte. Nefissa wagte kaum, einen Fuß darauf zu setzen, und glaubte, in der Tiefe Fische zu sehen. Entlang der Wände standen mit Samt oder Satin bezogene Diwane. Zahllose Messinglampen hingen an langen Ketten von der hohen Decke. Sie brannten alle und warfen seltsame Spiegelungen auf die Marmorsäulen und Bogen. In der Mitte der Decke zog ein Blumen-Mosaik den Blick auf sich. Dicht unter der Decke befanden sich vergitterte Balkone, von denen man beobachten konnte, was im Saal geschah. Nefissa stellte sich vor, wie vor langer Zeit der Sultan dort saß und insgeheim seine Frauen beobachtet hatte.
Nefissa bestaunte die schönen Wandmalerein – Bilder nackter Frauen, die in einem Brunnen badeten. Einige umarmten sich sogar in eindeutig erotischer Weise. Es gab junge und alte Frauen und die unterschiedlichsten Typen, aber alle schienen an einer gewissen Melancholie zu leiden, denn sie waren die Gefangenen ihrer Schönheit und saßen wie Vögel in einem Käfig, nur weil ein Mann sich vielleicht mit ihnen vergnügen wollte.
Nefissa wandte den Blick von den seltsam beunruhigenden Bildern ab. Mit klopfendem Herzen dachte sie daran, wie lange sie schon auf diesen Abend
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