Das Patent
nur ne Kleinigkeit zum Reinbeißen?« Der Kellner lächelte. Die Herausforderung schien ihm zu gefallen. »Es sei denn, Sie sind völlig blank und ham keine Scheinchen mehr.«
»Nee, zum Spachteln reichts noch. Schieben Sie mir doch mal die Speisekarte rüber!«
»Schon passiert.« Der Kellner verschwand, um die Speisekarte zu holen.
John Doe trank noch einen Schluck, grüßte abermals einige Spaziergänger und stellte die Tasse dann ab. Vor der Markise fing es wieder an zu regnen. Eigentlich war es weniger Regen als feiner Dunst, der gerade ausreichte, um die Straßen zu befeuchten und der Umgebung zarten Glanz zu verleihen.
John Doe wusste, dass es in Gaslight nicht zu festgelegten Zeiten regnete, sondern auf der Basis einer komplizierten Reihe von Umständen: dem Fluss der Massen, der Lufttemperatur der Umgebung und den Eigenschaften des Lichts am echten Himmel über der Utopia-Kuppel, die von dichtem Londoner Nebel verhüllt wurde. Er beobachtete die Passanten, die sich nun unter Markisen und in Hauseingängen unterstellten und darauf warteten, dass der Regen endete. Er dauerte offenbar nie länger als neunzig Sekunden. Schon ebbte das leise Prasseln wieder ab. Die Menschen gingen auf die Straße zurück und schüttelten die Tropfen plappernd und lachend ab.
Eigentlich war alles enttäuschend leicht gegangen. Nicht mal der Zwischenfall, von dem er kurz zuvor erfahren hatte, war ein gewichtiges Malheur. Sie waren auf alle Eventualitäten vorbereitet. John Doe seufzte. Er empfand einen Anflug von Bedauern. Dies war sein letztes Unternehmen. Er hatte gehofft, es würde sich als größere Herausforderung erweisen und ein paar echte Überraschungen bieten. Damit er endlich mal Gelegenheit hatte, seinen Intellekt zu beweisen, und damit er sich im Ruhestand an eine interessante Sache erinnern konnte. Aber nein, gerade diese Freude war ihm nicht vergönnt gewesen. John Doe beobachtete die sich ahnungslos unterhaltenden Passanten. Sie waren wie Vieh. Wäre er nicht so gut gelaunt gewesen, hätte er nur Verachtung empfunden: Verachtung für menschliche Gepflogenheiten, menschliche Schwächen, menschliches Leid, menschliche Güte. Für menschliche Güte ganz besonders.
Es wurde Zeit, sich um das unvorhergesehene Ereignis zu kümmern. Er legte die Zeitung beiseite, zog ein Mobiltelefon aus dem Jackett und wählte eine Nummer.
»Ah«, sagte er, als sich eine Stimme meldete. »Da sind Sie ja.«
Die Stimme am anderen Ende klang gedämpft und verschwörerisch. Trotzdem waren die ´nervosität, die Gereiztheit und die Unsicherheit, die sie transportierte, unmissverständlich. »Höchste Zeit, dass Sie anrufen. Die Sache läuft nicht wie geplant. Und mir persönlich gefällt das gar nicht.«
»Nicht wie geplant? Wie meinen Sie das genau?«
»Das habe ich schon mal gesagt.« Die Stimme war jetzt kaum mehr als ein Flüstern. »Die >Greifenturm<- und >Finsterwasser<-Unfälle. Es sollte doch niemand verletzt werden. Und was den Wachmann anbetrifft, in den Kulissen der >Galaktischen Reise<... Mein Gott, mussten Sie ihn umbringen?«
»Ich hatte leider keine andere Wahl.«
»Es hat einfach zu viele böse Überraschungen gegeben.
Außerdem ist Tibbald nicht von der Übergabe zurückgekehrt, sodass ich mich frage, ob er fahnenflüchtig geworden ist.«
John Doe trank einen Schluck Kaffee, nahm die Speisekarte entgegen und schaute dem fortgehenden Kellner nach.
»Über Tibbald würde ich mir keine Sorgen machen. Ich bin sicher, der taucht schon wieder auf.«
»Was soll das mit der zweiten Übergabe? Es ist völlig unannehmbar und steht nicht im Drehbuch.«
»Vielleicht doch. Vielleicht nicht. Das ist im Moment nicht wichtig.« John Does Stimme verlor nun ein wenig von ihrer guten Laune. »Viel wichtiger ist, dass Cracker Jack nicht mehr sendet.«
»Wieso? Was ist da los?« Der unsichere Klang in der Stimme am anderen Ende der Leitung war deutlicher vernehmbar.
»Ich weiß es nicht genau. Vielleicht wird da jemand zu übermütig. Vielleicht ist es auch das Werk unseres unerwarteten Gastes Andrew Warne, der seine Nase in Sachen steckt, die ihn nicht zu interessieren haben. Vielleicht sind es aber auch unvorhergesehene Umstände. Jedenfalls hat Cracker Jack die Überwachungskameras ausgeschaltet.«
»Ich weiß.«
»Es ist das Signal dafür, dass seine Arbeit oben erledigt ist, dass wir aber, was die... ähm... Vorbereitungen im Untergeschoss angeht, nicht auf ihn zählen können. Sie müssen also an der Sache dranbleiben.
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