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Das Patent

Titel: Das Patent Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Lincoln Child
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nie langweilig. Besucherschlangen bewegten sich über den beleuchteten Boden des Weltraumhafens. Laser und andere fremdartige Lichteffekte ließen die massive Architektur deutlich hervortreten.
    Über allem wölbte sich die gigantische Sternenkuppel. Das einzige Fahrgeschäft, vor dem keine Schlange stand, war »Flucht von Finsterwasser«. Eigenartigerweise hatte man den Laden genau während des größten Besucherandrangs aus Wartungsgründen geschlossen.
    Sieben Abstürze auf»Station Omega«. Gottverdammt.
    Am Ende der Rolltreppe führte ein anderer Mitarbeiter die Besucher in einen Gang mit dem Schild »Zum Transport«.
    Tom marschierte mit der Menge weiter und reckte den Hals, um über die vor ihm gehenden Leute hinwegzusehen. Da war er mit weit geöffneten Luken am anderen Ende des Korridors, die Wände schillerten blass: der Shuttle zur Fähre. Der angebliche Shuttle. Einfache Fahrt, geradewegs in die Tiefe.
    Das Innere der Kabine leuchtete in blassem Scharlachrot und erinnerte an ein riesiges offenes Maul. Tom schüttelte sich in Vorfreude.
    Eine dritte Mitarbeiterin erwartete sie am Ende des Gangs.
    »Die Fahrtzeit zur Fähre beträgt ungefähr fünf Minuten«, sagte sie und führte die Leute in die Shuttlekabine. »Bitte halten Sie die Bordkarten bereit. Die Fähre legt in zwanzig Minuten vom Weltraumhafen ab. Sobald Sie den Shuttle verlassen haben, gehen Sie bitte schnell an Bord.«
    Als Kyle sich in die Kabine führen ließ, grinste er vor sich hin.
    Er war ein Insider. Er hörte sich das sorgfältig einstudierte Täuschungsgeschwafel aber trotzdem gern an. Es war so, als durchschaue man die gerissenen Manöver eines großen Bühnenzauberers. Er musterte seine Mitfahrer. Einige grinsten wissend.
    Für die »Station Omega«-Veteranen war der Absturz an sich nur das halbe Vergnügen. Ebenso viel Spaß machte es, die Reaktion der Mitreisenden zu beobachten. Obwohl das Fahrgeschäft ziemlich berühmt war - die Illustrierten und Websites, die sich mit »Station Omega« befassten, waren Legion -, gab es immer wieder ein paar Passagiere, die nicht wussten, worauf sie sich einließen. Sie glaubten tatsächlich, sie würden eine Fahrt mit einer Raumfähre machen und der überdimensionale Aufzug sei nur ein Transportmittel, um sie in den Einstiegsbereich zu bringen. Kyles geübter Blick schweifte über die etwa sechzig sich um ihn drängenden Gäste. Er suchte nach Ahnungslosen. Die japanische Reisegruppe, die sich aufgekratzt miteinander unterhielt, bestand aus möglichen Kandidaten. Das minderjährige Liebespärchen in der Ecke da, das sich lieber befummelte als sich für die Umgebung zu interessieren, vielleicht auch. Das völlig gleich angezogene ältere Ehepaar mit den Hütchen, das sich laut fragte, wie lange die Fahrt mit der Raumfähre wohl dauerte, eindeutig. Kyle nickte selbstgefällig vor sich hin. Sobald hier die Hölle los war, würde er die beiden ganz bestimmt im Auge behalten.
    Draußen, im Korridor zum Shuttle, sah er, dass die dort tätige Mitarbeiterin leise und eindringlich auf ein weißhaariges Paar einsprach. Die Leute waren zwar noch nicht so alt - etwa sechzig, vielleicht auch etwas älter -, doch sie wurden von der Frau allem Anschein nach abgewiesen. Utopia ging kein Risiko ein. Aus den Websites, die Kyle besuchte, wusste er, dass die Mitarbeiter von »Station Omega« nicht nur ein veritables Bodenpersonal, sondern auch medizinisch ausgebildet waren, und so hielten sie ständig nach Personen Ausschau, die auch nur entfernt den Eindruck machten, sie seien für einen Absturz im freien Fall ungeeignet. Kyle sah, dass die beiden sich zwar beleidigt, aber mit Kasinogutscheinen in der Hand davonmachten. Sie hätten seine Eltern sein können. Irgendwie befriedigte es ihn, dass sie die Fahrt nicht mitmachten.
    Er stupste Tom in die Rippen und deutete mit dem Kopf auf das identisch gekleidete Touristenpaar. Tom folgte seinem Blick und verdrehte die Augen. Jaaa, schien sein Ausdruck zu besagen, das sind Opfer.
    Kyle grinste. Neben dem zunehmenden Gefühl der Vorfreude empfand er irgendwo im Hinterkopf auch etwas anderes. Er war fast erleichtert. Tom benahm sich inzwischen wieder so, wie es seinem alten Ich entsprach. Vielleicht hielt es ja nur einen Tag an, aber es war auch möglich, dass er inzwischen wieder Licht am Ende des Tunnels sah.
    Die Aufzugkabine war nun fast voll. Die Leute standen in Grüppchen beisammen und bildeten unbewusst lockere kleine Ansammlungen, wie dies oft in U-Bahnen

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