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Das Patent

Titel: Das Patent Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Lincoln Child
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etwas anderes. Sämtliche Orte in Utopia, die er inzwischen kannte, waren kühl, wenn nicht gar kalt.
    Dies galt nicht nur für die Fahrgeschäfte, sondern auch für die Boulevards und Promenaden. Die Kühle war so selbstverständlich, dass sie einem nicht mal auffiel. Aber in der Aufzugskabine war es heiß. Und es wurde immer heißer.
    Um Kyle herum wurden nun langsam aufgeregt klingende Stimmen laut.
    »Was ist denn los?«, hörte er jemanden fragen.
    »Wann fahren wir denn?«, meldete sich eine klagende Stimme.
    »Sind wir schon zur Fähre unterwegs?«, fragte eine dritte.
    Kyle zupfte an seinem Hemd, löste es von seinem Brustkorb.
    Der Umhang auf seinen Schultern kam ihm nun erstickend schwer vor. Gott, war das heiß hier. Wieder wurde er von jemandem geschubst, diesmal fester, und als er einen Arm ausstreckte, um das Gleichgewicht zu bewahren, wischte sein Ellbogen über ein schwitzendes, stoppeliges Männergesicht. Kyle wich zurück. Vielleicht  gibt´s wirklich ein technisches Problem, dachte er in einer Mischung aus Verärgerung und Besorgnis. Bei der vielen Kohle, die man hier bezahlt, dürfte so was eigentlich nicht passieren.
    In der Dunkelheit fing jemand leise an zu weinen.
    Das Gemurmel wurde lauter. Man spürte die Angespanntheit der Menschen. Kyle schaute sich um. Er riss die Augen wegen der Dunkelheit weit auf. Doch die Schwärze wollte nicht weichen und wurde von keinem Licht durchdrungen.
    Nur einmal in seinem Leben war er ganz ohne Licht gewesen - bei einem Höhlentrip mit einigen Kommilitonen.
    Aus Spaß hatte der Expeditionsleiter sie an der tiefsten Stelle der Grotte angewiesen, die Lampen am Helm auszuschalten.
    Aber es hatte nur einen Moment gedauert. Außerdem hatte jeder eine Taschenlampe dabeigehabt. Und sie hatten wieder rausgehen können.
    Warum mussten wir es unbedingt siebenmal machen?, fragte sich Kyle. Die unsichtbaren Gestalten in seiner Umgebung wurden ruheloser und ihre Stimmen aufgeregter. Hätten wir es nicht bei sechs Fahrten belassen können? Jetzt hatten sie sich alles kaputtgemacht.
    Absolute Dunkelheit war schrecklich. Man fühlte sich wehrlos, hilflos, desorientiert. Und es war noch viel schlimmer, wenn man in einem überdimensionalen Schuhkarton steckte, sich den Arsch abschwitzte und in einem Schacht in der Schwebe hing, der.
    Es gelang Kyle nur mit Mühe, sich zu beherrschen. Vielleicht steckt ein Plan dahinter. Wahrscheinlich beobachten sie die Fan-Sites im Netz und halten Ausschau nach Besuchern, die zu selbstzufrieden werden und sich zu sehr an alles gewöhnen. Vielleicht haben sie den Ablauf verändert. Damit die Passagiere was zum Nachdenken haben. Damit ihnen die Sache nicht langweilig wird.
    Wäre eigentlich typisch für diese Leute...
    Selbst wenn sie es wirklich mit einem technischen Versagen zu tun hatten: Kyle sah keinen Grund zur Sorge. Hier wimmelte es von Ingenieuren und Mechanikern. Es lag in der Natur der Sache. Noch ein paar Sekunden, dann waren sie im freien Fall. Keine Frage. Dann konnte er im Wohnheim eine zusätzliche Geschichte erzählen.
    Wie als Antwort auf seine Gedanken machte die Kabine wieder einen Ruck. Ein angespanntes, aufgeregtes Stimmengewirr erhob sich, als die etwa sechzig Menschen in der stockdunklen Schwärze die Balance zu halten versuchten.
    Jetzt gehts los, dachte Kyle. Die Erleichterung, die ihn durchströmte, war fast überwältigend.
    Aber es ging nicht los. Und nun begriff der in der schwülen, bedrückenden Dunkelheit wartende Kyle, dass etwas schrecklich schief gegangen war. Es war zu heiß in dem engen Raum, zu drückend. Die Menschen konnten nicht dafür verantwortlich sein. Er spürte, dass der Rauch weiter auf sie eindrang. Aber es war nicht der ihm schon bekannte Effektqualm, denn der war kühl, feucht und geruchlos - fast erfrischend. Der hier war heiß. Er verbrannte einen fast.
    »Ich krieg keine Luft mehr!«, rief jemand. Rechts von Kyle bewegte sich jemand heftig.
    Kyle schnappte nach Luft. Seine Lunge war wie ausgedörrt.
    Verwirrt und verzweifelt fuhr er herum.
    »Holt uns hier raus!«, schrie eine andere Stimme.
    »Wir stecken fest! Hilfe! Hilfe !«
    Es war, als sei der Damm mit einem Mal gebrochen. Mit einem einzigen elektrisierenden Schritt hechteten Dutzende von Menschen in Panik Richtung Luke, die sich erst wenige Minuten hinter ihnen geschlossen hatte. Sie schrien, bettelten und schlugen hektisch auf die unnachgiebigen Wände ein. Kyle wurde angerempelt und von unsichtbaren Gestalten hin und her

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