Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Das Pazifische Kartell: Kriminalroman (suhrkamp taschenbuch) (German Edition)

Das Pazifische Kartell: Kriminalroman (suhrkamp taschenbuch) (German Edition)

Titel: Das Pazifische Kartell: Kriminalroman (suhrkamp taschenbuch) (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Elmer Mendoza
Vom Netzwerk:
plötzlich etwas Kindliches. Das soll er dir selber erzählen, ich hab ihm schon gesagt, dass er genauso aufbrausend ist wie du. Er hörte kurz zu. Alles bestens, wärmt immer noch mein Bettchen, hör mal, Leo McGiver ist in der Gegend, hat einen Jungen getötet, und dein Bruder will ihm dafür an den Kragen. Er hörte zu. Okay. Er gab dem Zurdo das Handy zurück. Was gibt’s? Du willst dir also Leo vorknöpfen? Er hat einen jungen Kerl auf dem Gewissen. War dieser Kerl okay? Eher nicht, hat für einen der mächtigsten Narcos gearbeitet. Dann ist der Welt also keinWissenschaftler verloren gegangen? Nein, eher nicht. Ich bin Leo noch einen Gefallen schuldig, Teo wird’s dir erklären; hör mal, Susana und Jason kommen bald nach Culiacán, hoffentlich hast du Zeit, dich ein bisschen um den Jungen zu kümmern. Dir kann ich nichts vormachen, ich kann’s kaum noch erwarten, ihn zu sehen. Das hört man gern, und wehe, du verarschst mich gerade. Wie könnte ich? Na gut, sei gedrückt, Bruderherz.
    Teo nahm einen Schluck Bier und zündete sich noch eine Zigarette an. Der Zurdo wartete. Schon als Jugendlicher war Leo ein spezieller Typ, verwegen, ein bisschen durchgeknallt, zu allem bereit; ich glaube nicht, dass du ihn noch kennengelernt hast, er ist nämlich aus Col Pop weggezogen, als du noch klein warst, aber wir drei waren damals dicke Kumpel; als wir Revolutionäre gespielt haben, hat er uns Waffen besorgt. Ich weiß, dass er heute Waffenhandel in großem Stil betreibt. Dein Bruder hat mich gebeten, dir von dem Gefallen zu erzählen, den er ihm schuldet; aber vorher musst du wissen, dass ich das nur tun soll, wenn du Leo nicht einbuchtest. Wenn du dich darauf nicht einlassen willst, belassen wir es dabei. Nach all den Jahren im Ausland war Enrique McGiver einen Gefallen schuldig? Die Neugier war zu groß, als dass der Zurdo ihr widerstehen konnte. Der Kerl ist frei, keiner meiner Leute wird ihn anrühren. So ist’s recht, ein Mann, ein Wort, er rauchte: Enrique hat jemanden getötet; ich war dabei, er hat mir damals gesagt, er hätte noch eine Rechnung offen, und nun sei der Zeitpunkt gekommen, sie zu begleichen; wir sind zu einem Haus gefahren, und weil er nicht wollte, dass ich mitkomme, dachte ich, es geht irgendwie um Geld. Von wegen. Er hat geklingelt, ein Mann, den ich kannte, machte auf, und Enriquehat ihm eine Kugel in die Stirn gejagt. Der Typ war auf der Stelle tot, und dein Bruder rannte zurück zum Auto. Was war denn das, Quique?, habe ich zu ihm gesagt, spinnst du oder was? Das hatte er verdient. Das war ein Pfarrer, Mann, ein Priester! Und ein verdammter Kinderficker mit Vorliebe für Jungs. Dem Zurdo fiel die Zigarette aus dem Mund. Teo stand so sehr im Bann seiner Erinnerungen, dass er nicht bemerkte, wie blass sein Gegenüber war, wie schwer er atmete. Dann lief die Sache aus dem Ruder; vor lauter Nervosität wäre ich beinahe in einen Streifenwagen reingedonnert, der uns natürlich gestoppt hat; wir mussten aussteigen, wurden gefilzt und verprügelt. Wir waren völlig runter mit den Nerven, schließlich hatte dein Bruder nicht irgendeinen Christen umgepustet, sondern einen Priester, dermaßen aufgekratzt waren wir, dass wir die Schläge praktisch gar nicht gespürt haben.
    In dem Moment tauchte McGiver auf. Er hatte einen guten Draht zu den Bullen, hat sie geschmiert, damit sie uns laufen ließen; die Knarren hat er ihnen geschenkt, und das Auto auch, aber das war ja sowieso gestohlen.
    Wir waren bei ihm zu Hause, da kommt ein hoher Beamter der Staatsanwaltschaft. Entweder er liefere Enrique freiwillig aus, oder es sei vorbei mit jeglicher Zusammenarbeit. Leo ließ sich nicht beeindrucken. An diesem Abend hat sich dein Bruder zum ersten Mal als Frau verkleidet, ich übrigens auch. Wir sind im Minirock nach Los Mochis gefahren, dort haben wir uns drei Tage bei einem Typen namens Poncho versteckt, bis McGiver uns nach San Luis, Río Colorado, gebracht hat, in einem Kleinflugzeug, das er hinterher mit Pistolen und Gewehren vollgeladen hat; dann hat er deinen Bruder mit einemfalschen Pass über die Grenze geschleust und an einem sicheren Ort abgesetzt. Schweigen. Hat Enrique dir erzählt, warum er mit diesem Priester noch eine Rechnung offen hatte? Nein, und ich habe ihn auch nicht gefragt. Er drückte seine Zigarette aus. Geht auf dich, Zurdo. Teo stand auf. Wir sehen uns.
    Im Jetta weinte er.
    Er hielt sich nicht mit dem Gedanken auf, dass er schon verdammt lange nicht mehr geweint hatte. Er weinte

Weitere Kostenlose Bücher