Das peinlichste Jahr meines Lebens
seltsamste Geruch, den ich je bei irgendwem wahrgenommen habe.
Er wirft Miss O’Malley ständig lüsterne Blicke zu. Heute hat er ihr sogar einen Blumenstrauß mitgebracht.
Blumen
. Das ist echt gruselig.
Seit er weg ist, befasst sich Miss O’Malley mit ihren Blumen und pfeift wie ein zahnloser Matrose. Das gefällt mir ganz und gar nicht.
Was nach dem Coco Pops-Vorfall passierte
Nachdem mir Mum das Frühstück verdorben hatte, indem sie in meine Müslischale eingefallen war, lief auch der Rest des Tages ziemlich schlecht. Meine Eltern verbrachten den größten Teil des Morgens völlig nackt im Garten. Ich schwöre, dass Paul Beary schon am Vormittag vierzehnmal vorbeikam. Jedes Mal stand er an der Haustür und versuchte über meine Schulter hinweg hinten in den Garten zu schauen, während ich ihm sagte, nein, er könne nicht reinkommen und meine Mum sehen. Am Nachmittag beschloss ich, ein bisschen Fahrrad zu fahren. Als ich das Rad den Weg hinter unserem Haus entlangschob, sah ich, wie Paul, das Handy zwischen den Zähnen, über unseren Zaun zu klettern versuchte.
Zum Glück waren meine Eltern da schon ins Haus gegangen, weil Dad an einer sehr empfindlichen Stelle von einer Biene gestochen worden war.
Aber darum ging es nicht.
»Was machst du denn da?«, brüllte ich.
Paul rutschte ab, sackte zu Boden und ließ sein Handy fallen. Er stand auf und klopfte sich den Staub von der Kleidung. »Na ja. Ich … äh … wollte dich abholen.«
Paul ist ein schrecklicher Lügner. Abgesehen von den Perlen, die ich bereits erwähnt habe, hat er mir in den zehn Jahren, die ich ihn kenne, die folgenden Geschichten aufgetischt:
Ihm wurde mal mit einem Luftgewehr in den Kopf geschossen. Obwohl er unverletzt blieb, sitzt die Kugel (die wundersamerweise keinen Kratzer und kein Einschussloch hinterlassen hat) noch in seinem Gehirn und ermöglicht ihm, im Kopf Radio 1 zu empfangen.
Letztes Jahr hat er an einem Sonntagnachmittag in Moor Park zwei Ninjas kämpfen sehen (Er erklärte jedoch nicht, warum die Ninjas überhaupt dort waren). Anscheinend starb einer von beiden, als der andere ihm einen Mülleimerdeckel wie eine Frisbeescheibe direkt durchs Herz schleuderte.
Eines Tages aß er ein Würstchen im Brötchen (bis dahin ist noch nichts Seltsames an der Geschichte) und bemerkte plötzlich, dass es ein menschlicher Finger war (Wer das Essen in unserer Schulkantine kennt, wird auch das nicht unbedingt seltsam finden). Doch in dem Moment, als er aufschreien wollte, winkte ihm dieser Finger zu. Vor Schreck ließ Paul das Würstchen mit dem Brötchen fallen, und der Finger kroch davon. [30]
Jedenfalls sagte ich Paul, das sei völliger Unsinn. »Du wolltest Fotos von meiner Mum machen. Gib’s zu.«
»Nein«, sagte er, und die Augen wären ihm fast aus dem Kopf gesprungen.
In dem Moment piepte sein Handy. Da es neben meinem Fuß lag, hob ich es auf. Eine SMS von jemandem namens »Schweinigel« war eingetroffen.
Ich las sie ihm vor. »›Yo Beary. Wann schickst du die Nacktfotos? Du hast 10 Min sonst will ich mein Geld zurück.‹
Was für Fotos sind das wohl, Paul?«, sagte ich und stieß ihm das Handy gegen die Brust.
Paul nahm es in seine plumpe Hand und betrachtete es verlegen. »Na ja. Das sind andere Fotos. Er wollte Fotos von … ähm …«
Das Blut schoss so schnell durch meine Adern, dass ich dachte, meine Augäpfel würden platzen. »Fotos wovon, Paul? Kämpfenden Ninjas? Deiner französischen Freundin? Dem Wohnwagen deiner Tante?«
»Meines Onkels«, sagte er mit beleidigter Miene.
»Egal. Ich weiß, was du tun wolltest, und weißt du was? Du bist zu weit gegangen. Es ist schon schlimm genug, dass du versucht hast, einen Blick auf meine nackte Mum zu werfen, aber dass du die Fotos an jemanden namens
Schweinigel
verkaufen willst, ist der Gipfel. Halt dich von uns fern, du Verdammter.«
Ich radelte, so schnell ich konnte, davon.
»Sie würde es nicht tun, wenn sie nicht wollte, dass die Leute sie sehen«, rief er mir nach, während ich um die Ecke bog.
Ich bemühte mich, ihm keinen Glauben zu schenken.
Ein unerwarteter Gast
Ich fuhr ungefähr zwei Stunden durch die Gegend. Ich fahre gern Fahrrad. Es bringt mich von den anderen Leuten weg. Die Füße bewegen sich immer im Kreis, und es gibt keine Überraschungen. Auf dem Rückweg kaufte ich eine Packung Custard Creams, um mich aufzuheitern.
Als ich müde und leicht verschwitzt zu Hause ankam, öffnete ich vorsichtig die Wohnzimmertür. Mum und Dad
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