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Das peinlichste Jahr meines Lebens

Das peinlichste Jahr meines Lebens

Titel: Das peinlichste Jahr meines Lebens Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Mark Lowery
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vor?
    Der entsetzliche Grund, warum mir der Kunstkurs für Erwachsene bekannt vorkam
    Ich verließ das Zimmer und blieb abrupt stehen. Mitten im Flur standen meine Eltern. Sie trugen Morgenmäntel.
    »Oh, hallo, Michael«, sagte Mum lächelnd, »hallo, Paul.«
    »Hi, Mrs. Swarbrick. Was für eine schöne Überraschung«, sagte Paul. »Ist das ein Seidenkleid, das Sie da tragen?«
    Ich stieß ihm den Ellbogen in den Magen. Es war, als sänke mein Arm in einen riesigen Marshmallow. Ich hatte fast das Gefühl, als müsste ich ihn mit der anderen Hand wieder herausziehen.
    »Was macht ihr denn hier?«, fragte ich und zog Mum beiseite. »Und warum seid ihr … so angezogen?«
    »Der Kunstkurs«, antwortete Mum seufzend. »Weißt du noch? Gestern hast du vergessen, die Nachricht von Miss Skinner an mich weiterzuleiten, weil du zu sehr damit beschäftigt warst, die Mädchen zu beobachten. Zum Glück hat sie es in dem Brief über deine kleine Taktlosigkeit als » PS « angefügt.«
    In diesem Moment kam Miss Skinner zur Tür geschwebt. »Oh, herzlich willkommen. Wie schön, dass Sie es einrichten konnten«, sagte sie überschwänglich und deutete theatralisch auf den Tisch mit dem Bettlaken darauf. »Ihre Plinthe wartet schon.«
    »Plinthe? Was ist eine Plinthe?«, fragte ich beklommen.
    »Eine Plinthe«, sagte Miss Skinner zu mir, obwohl sie Paul anschaute, »ist eine erhöhte Fläche, auf der jemand Modell steht, damit andere mit beliebigen Mitteln ein künstlerisches Abbild von ihm erstellen können. Deine Eltern haben sich freundlicherweise bereit erklärt, unsere Modelle zu sein.«
    Ich blickte von Miss Skinner zu Mum, zu Dad und dann wieder zu Miss Skinner. »Modelle. Was für Modelle?«
    Dad starrte seine Füße an. »Tja, mein Sohn, jetzt, wo die Sache ans Licht gekommen ist, wollte deine Mutter, dass wir uns dazu bekennen und, na ja, an die Öffentlichkeit gehen. Das war nicht meine Idee, weißt du.«
    »Ach, sei still, Roy«, fauchte Mum. »Das hier ist ein Kunstkurs. Es wurden Modelle gesucht, und wir …«
    »Na ja, eigentlich warst es eher
du
«, sagte Dad.
    Mum warf ihm einen bösen Blick zu, setzte aber ein Lächeln auf, als ein paar Leute mit Griffelkasten und Staffelei den Flur entlangkamen. »Wenn du uns jetzt bitte entschuldigen würdest, wir müssen uns fertig machen. Diese Morgenmäntel ziehen sich nicht von alleine aus.«
    »Morgenmäntel? Ausziehen?«, rief ich. »Ihr tragt doch hoffentlich etwas anderes drunter.«
    Mum runzelte die Stirn. »Zum Beispiel, Michael? Ein Feigenblatt?«
    Ich erschauderte. »Ihr wollt doch nicht … Ihr meint doch nicht … Das geht nicht. Das verstößt mit Sicherheit gegen das Gesetz.«
    Mum trat einen Schritt auf mich zu. »Das ist unser Leben und unser Körper, und wir tun damit, was wir wollen.«
    »Aber das ist meine Schule«, jammerte ich. »Die Leute werden euch sehen.«
    »Nur die Leute, die noch hier sind, weil sie die Mädchen beim Umziehen beobachtet haben und deshalb nachsitzen mussten.«
    Mit diesen Worten wirbelte sie herum und stolzierte davon. Dad zuckte entschuldigend mit den Schultern, folgte ihr dann in das Zimmer und schloss die Tür hinter sich.
    »Nein, Paul«, sagte ich. »Bevor du fragst, wir bleiben die nächste Stunde nicht hier. Und du kannst auch mit dem Gesabber aufhören.«
    Paul ließ die Schultern sinken und fluchte vor sich hin. Als wir um die Ecke bogen, wartete eine noch bösere Überraschung auf mich.
    Was könnte wohl noch schlimmer sein?
    Dave King und eine Frau, die vermutlich Mrs. King war, kamen auf mich zu. Als Paul die beiden sah, verschwand er blitzschnell in einem leeren Klassenzimmer. Nach dem Vorfall im Schwimmbad hatte er anscheinend immer noch panische Angst.
    »Hallo«, sagte ich nervös.
    »Marvin«, brummte Dave King.
    »Ist das einer der Jungen aus dem Schwimmverein?«, fragte Mrs. King. Sie sah fast aus wie Lucy, nur viel älter. Und ihre Haut war leuchtend orange. Vermutlich war es Solariumsbräune, aber es konnte auch das Zeug sein, mit dem Dad immer den Gartenzaun strich. »Nimmst du auch am Fackelumzug teil?«
    »Ja, ich bin eine Seegurke und beschütze Lucy«, sagte ich lächelnd.
    »Falsch«, knurrte Dave, »ich beschütze Lucy. Vor deinem verdammten Bruder. Sag ihm, dass ich weiß, wer er ist, und wenn er glaubt, er kann ihre Karriere in Gefahr bringen …«
    Mrs. King verdrehte die Augen. »Beachte ihn gar nicht, Marvin. Ich bin mir sicher, dass dein Bruder ein netter Junge ist, und Lucy tut es gut,

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