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Das Perlenmaedchen

Das Perlenmaedchen

Titel: Das Perlenmaedchen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Barbara Wood
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ständig Abschied voneinander zu nehmen.« Sie verlagerte den Reisesack an ihrer Schulter. Eigentlich hatte sie vorgehabt, auf den Markt zu gehen. Aber nun war ihr Chac über den Weg gelaufen.
    »Sieht so aus. Was hast du jetzt vor?«
    »Meine Mutter« – Tonina hing dem Klang dieser Worte genussvoll nach – »meine Mutter möchte sich auf die Suche nach meinem Vater Cheveyo begeben. Und nach unserem Volk. Sobald sie wieder bei Kräften ist, ziehen wir nach Westen und dann nach Norden ins Hochland, ins Tal von Anahuac. Sie war noch nie dort, sie ist hier in Palenque geboren. Unser Stamm hingegen lebt hoch im Norden.«
    Sie verstummte, beide verloren sich im Blick des anderen, vergaßen die geschäftigen und lärmenden Menschen um sich herum.
    Seit sie an der Weißen Straße umgekehrt waren, lagerten noch mehr auf den alten Plazas von Palenque: ein buntes Gemisch aus Baláms kleiner Armee und denen, die Chac gefolgt waren, dazu neuerdings all jene, die von Bauernhöfen aus der Umgebung stammten und sich Abwechslung oder ein besseres Leben erhofften. Die meisten brachen morgen mit Chac auf; ein paar neu hinzugekommene junge Männer wollten mit Balám nach Westen ziehen.
    Chacs Blick streifte die Ruinen, die verlassenen Häuser, die vom Dschungel überwuchert wurden, brüchige Mauern, Schlingpflanzen, die sich um Fenster und Türöffnungen rankten. Übermorgen war Palenque wieder eine Geisterstadt. »Tonina, wenn ich in Mayapán alles erledigt habe, komme ich zurück und mache mich auf die Suche nach dir.«
    Beide wussten, dass es nicht in seiner Macht lag, ein solches Versprechen einzuhalten. Die Männer von der Vereinigung würden das zu verhindern suchen. Selbst wenn es Chac gelingen sollte, sie vor das Tribunal des Königs zu bringen, konnte er ihnen nicht beweisen, dass sie in den Tod von Paluma verwickelt waren. Was ihn in Mayapán erwartete, würde ihn bis an sein Lebensende beschäftigen.
    »Ich wünschte, ich könnte mit dir gehen«, flüsterte Tonina.
    »Ich wünschte, ich könnte bleiben«, sagte Chac.
    Und die Kluft wurde noch breiter.
    Vom Verkaufsstand eines Korbflechters aus, an dem lebhaft gefeilscht wurde, beobachtete Ixchel voller Stolz ihre bildschöne Tochter. Groß und schlank war sie, wie alle Frauen in der Familie. Toninas ungewöhnliche Hautfarbe, die wie die von Ixchel honigfarben war, ging auf eine entfernte Großmutter zurück.
    Sie sind verliebt, befand sie mit Blick auf ihre Tochter und den gut aussehenden jungen Ballspieler. Aber sie wehren sich dagegen. Chac folgt einem Pfad der Vergeltung, und das hält ihn davon ab, sein Herz zu verschenken. Und Malinal – Tonina – ist in einem Zwiespalt gefangen. Eigentlich möchte sie mit ihm gehen.
    Aber Tonina war etwas anderes bestimmt. Und jetzt war die Zeit gekommen, dass ihre Tochter die wahre Bedeutung der roten Blume erfuhr.
    »Die Götter mögen euch segnen!«, rief sie.
    Tonina und Chac fuhren herum. Wie sehr Ixchel sich verändert hatte! Ihr Gang war aufrechter geworden, sie schritt beherzter aus, ihr Gewand war nicht mehr zerknittert, ihr weißes Haar hübsch zurechtgemacht und mit farbenfrohen Bändern geschmückt. Die Wangen und ihr Körper waren voller geworden, so als hätte Ixchel die Entbehrungen der vergangenen Jahre wettgemacht.
    Beim Näherkommen musterte sie Chac. Dem Aussehen nach könnte er einer von uns sein, stellte sie fest, obwohl er es vorzieht, sich wie ein Maya zu kleiden und zu geben. Immerhin hatte er sie gerettet, und ihrer Überzeugung nach geschah nichts ohne Grund. Die Götter hatten ihn geschickt. Warum?
    »Junger Mann, welchem Stamm gehörst du eigentlich an?«
    »Das weiß ich nicht. Meine Mutter hat es mir vor langer Zeit einmal gesagt, aber ich habe es vergessen. Vermutlich bin ich ein Chichimeke.«
    Zwischen Ixchels Brauen bildete sich eine schmale Furche. »Nenne dich nie so, mein Sohn, denn diese Bezeichnung ist abwertend. Was ich vor mir sehe, ist keineswegs ein wilder Barbar.« Ihre scharfen Augen musterten seine Gesichtszüge, und Chac merkte, wie sie angestrengt überlegte. Als sie mit kühlen Fingerspitzen seine Stirn berührte und dann sagte: »Du hast eine edle Stirn«, war er verwundert.
    Auf der lärmenden Plaza fiel Ixchels Blick auf einen anderen jungen Mann, dem sie instinktiv misstraute: Balám, der von sich behauptete, ein Prinz zu sein. Er und seine Krieger hatten Palenque fünf Tage zuvor bei Tagesanbruch verlassen, waren aber umgekehrt, als auch sie das vom Wachturm aus gegebene Signal

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