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Das Perseus-Protokoll - Hensel, K: Perseus-Protokoll

Das Perseus-Protokoll - Hensel, K: Perseus-Protokoll

Titel: Das Perseus-Protokoll - Hensel, K: Perseus-Protokoll Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Kai Hensel
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ein. »Funktioniert! Akku!«
    »Für das Teil kriegen Sie keine zehn Euro.«
    »Fünfzig Euro! Für Sie!«
    Er hielt ihr den Player hin.
    »Vierzig«, sagte er.
    »Zwölf«, sagte Maria.
    »Habe ich Frau und kleine Tochter in Odessa.«
    »Fünfzehn.«
    »Fünfunddreißig! Tochter kein Geld für Zahnarzt!«
    »Zwanzig Euro. Mein letztes Wort.«
    »Letztes Wort fünfundzwanzig.«
    Maria hielt ihm den Zwanzig-Euro-Schein hin. Er zuckte die Schultern. Sie hatte der alten Frau vor den Markthallen fünf Euro gegeben. Hunderte Menschen würden sterben. Weil sie einer alten Frau fünf Euro gegeben hatte!
    Sie hörte Kirchenglocken.
    »Fünfundzwanzig!«, wiederholte der Händler. »Letzter Preis! Guter Preis!«
    Sie schüttelte den Kopf. Sie ging. Sie hoffte, der Händler würde ihr nachkommen. Er kam nicht. Ihr Kopf fühlte sich wieder etwas klarer an. Sie hatte alles versucht. Sie hatte gekämpft, sie hatte verloren. Sie fühlte keine Angst, keine Wut, nicht einmal Ärger. Nur Erschöpfung und Taubheit in ihrem ausgetrockneten Mund. 11.56 Uhr. Ihre Verabredung im Café Mykéne. War sie noch wichtig? Sie konnte Eléni nicht retten, sie konnte niemanden retten.
    Sie hörte Schreie vom Monastiráki-Platz. Etwas stieß sie von hinten an. Chanell flitzte an ihr vorbei. Unter dem Arm hatte sie den CD-Player. Maria sah Chanell in einer Gasse verschwinden. Sie blickte sich um, niemand folgte ihr. Sie ging schneller, sie lief. Sie sah Chanell in einem Hauseingang stehen.
    Das Mädchen hatte den CD-Player geklaut. Sie hatte ihn für Maria geklaut. Maria wollte ihr durchs versträhnte Haar streicheln, wollte sie an sich drücken. Doch Chanell wollte keine Berührung, keine Zärtlichkeit. Sie zeigte auf Marias Hosentasche. Sie wollte die zwanzig Euro.

37
    12.02 Uhr.
    Maria sank auf einen der schmiedeeisernen Stühle vor dem Café Mykéne. Sie schloss einige Sekunden lang die Augen. Sie war zwei Minuten zu spät gekommen. Sie hörte die Glocken der Kathedrale, einen Straßenzug hinter ihr. Sie hörte, heller und etwas scheppernd, dieselben Glocken aus einem Fernseher, der über der Eingangstür des Cafés an der Decke hing. Anscheinend begann auch die Messe verspätet.
    »Kaliméra!«
    Sie öffnete die Augen. Ein Kellner stand vor ihr. Sie hatte kein Geld. Sie musste Zeit schinden.
    »Bitte die Karte.«
    Das Café lag an einer kleinen, baumbestandenen Kreuzung. Junge Leute saßen an Nebentischen, aßen Salat und Sandwiches. Der Ministerpräsident ging auf das Tor der Kathedrale zu. Sie pfiffen, zeigten den Mittelfinger Richtung Fernseher.
    Maria war gelaufen, über den Monastiráki-Platz, die Ermoú, bis zur Absperrung. Die Soldaten hatten den DVD-Player in ihrem Arm für eine Bombe gehalten. Sie hatten »Stopp!« geschrien und ihre Waffen gehoben. Der große, schlanke Soldat, eine Lakritzschnecke im Mund, hatte gelacht und seine Kameraden beruhigt.
    »Sie müssen mir nicht glauben!«, hatte sie gekeucht. »Aber sehen Sie wenigstens das!«
    Sie hatte auf Play gedrückt, und die Soldaten hatten nichts gesehen, einfach gar nichts, weil der Bildschirm in der Sonne spiegelte.
    »Gehen Sie in den Schatten!«
    Maria hatte nicht gewartet, auf weitere Fragen, womöglich eine Verhaftung. Sie war weitergelaufen. Dass sie es pünktlich ins Café schaffte, war Elénis letzte, geringe Chance.
    Sie halten Ihr Telefon eingeschaltet.
    Der Kellner legte die Karte auf den Tisch. Sie blätterte. Sie kontrollierte ihr Telefon – eingeschaltet, vier Balken. Aber der Akku war fast leer. Sie hörte die letzten Schläge der tiefen Glocke. Sie sah im Fernseher das Schließen des Portals. Bildsprung ins Innere der Kathedrale. Kamerafahrt über die ernsten, angespannten Gesichter des Ministerpräsidenten und seiner Minister in den ersten Reihen.
    Ein Junge näherte sich auf einem Skateboard, warf einen Briefumschlag auf Marias Tisch. Sie riss den Umschlag auf:
    Sie wollen mit Ihrer Freundin sprechen? Wählen Sie …
    Eine griechische Mobilfunknummer. Der Junge auf dem Skateboard verschwand zwischen Bäumen. Sie holte ihr Telefon aus der Tasche. Ihr Herz klopfte. Sie tippte die Nummer, sie …
    Sie sah ihn am Straßenrand stehen. Er hatte schulterlanges, blondes Haar. Er trug eine graue Jogginghose, darüber ein grün-weißes T-Shirt mit einem Fußball.
    Er hielt ein Telefon in der Hand.
    Er sah sie an.
    Sie hörte aus dem Fernseher Gesang von Mönchen.
    Sie stand auf.
    Er ging langsam, schneller.
    »Halt!«, rief sie.
    Er tippte in sein Telefon.
    Sie verfolgte

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