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Das Pestkind: Roman (German Edition)

Das Pestkind: Roman (German Edition)

Titel: Das Pestkind: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Nicole Steyer
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Richter wäre ihnen bestimmt nicht gnädig gesinnt. Er hatte auch in Margits Fall nicht auf ihrer Seite gestanden und das Mädchen nicht einmal angehört. August Stanzinger hatte in ihm einen mächtigen Verbündeten, und über den Schaden, den sie mit so einer Tat dem Orden zufügen würden, wollte er erst gar nicht nachdenken.
    Er schüttelte den Kopf.
    »Das geht nicht. Auf keinen Fall können wir Anderl befreien. Sie könnten uns erwischen. Und auch wenn es klappen würde, der Stadtbüttel weiß genau, bei wem er nach Anderl suchen muss. Er wird uns doch sofort verdächtigen.«
    Pater Franz sah seinen Freund bittend an.
    »Ich kenne all diese Einwände, aber ich habe Marianne versprochen, den Jungen zu retten. Gott war mein Zeuge. Ich muss Wort halten, um jeden Preis.«
    Pater Johannes seufzte. Sie standen im Kreuzgang, die Sonne verschwand hinter den Wolken, der Sturm rüttelte an den Fensterläden und wirbelte trockene Blätter in die Höhe. Ernst sah er seinem Freund in die Augen und erkannte die Entschlossenheit, die darin lag. Er würde ihn nicht mehr umstimmen. Franz würde den Jungen dort herausholen, ob er ihm half oder nicht.
    »Also gut«, gab er nach, »dann erkläre mir, was du genau vorhast. Wie ich dich kenne, hast du bereits einen Plan.«
    Erleichtert nahm Pater Franz seinen Freund in den Arm.
    »Vielen Dank. Gewiss wird alles gutgehen.«
    Pater Johannes zog die Augenbrauen hoch.
    »Dein Wort in Gottes Ohr. Also, was hast du vor?«
    Pater Franz holte tief Luft. Lange hatte er gegrübelt, wie sie es anstellen konnten, doch irgendwann war ihm eine Idee gekommen.
    »Ich werde Karl aushorchen und sehen, wo er seine Schlüssel aufbewahrt. Ich denke nicht, dass wir in der Lage sind, ein Schloss aufzubrechen.«
    Pater Johannes musste schmunzeln.
    »Nein, Einbrüche habe ich bisher noch keine verübt. Wenn man davon absieht, dass ich mal das Schloss zur Speisekammer aufgebrochen habe, weil ich den Schlüssel verlegt hatte.«
    Pater Franz lächelte jetzt ebenfalls. Er liebte es, sich mit seinem Freund auszutauschen, und auf einmal kam ihm seine Idee nicht mehr ganz so abwegig vor.
    »Ich werde Anderl morgen in der Zelle besuchen und dann ein wenig herumschnüffeln.«
    Pater Johannes nickte.
    »Vielleicht kommst du irgendwie an den Haustürschlüssel heran, der wird unsere größte Hürde werden, denn wenn wir erst einmal im Gebäude sind, wird es einfacher sein.«
    Pater Franz sah seinen Freund überrascht an. So weit hatte selbst er noch nicht gedacht.
    »Siehst du.« Er schlug Johannes auf die Schulter. »Du hast also doch Einbrecherqualitäten.«
    Der alte Mönch seufzte hörbar.
    »Hoffentlich werde ich sie nur das eine Mal benötigen.«
    *
    Zwei Tage später saß Pater Franz in Anderls Zelle. Ihm brannte es auf der Zunge, dem Jungen von ihren Ausbruchsplänen zu berichten, aber er hielt sich lieber zurück. Es war besser, wenn Anderl nichts davon erfuhr. Am Ende würde er sich bei Karl verplappern oder sonst irgendwie zeigen, dass etwas anders war, und das konnten sie auf keinen Fall riskieren.
    Anderl lag auf dem Bett und drehte schweigend eines der Strohtiere in der Hand hin und her. Der Mönch war die Stille bereits gewohnt. Er saß auf einem Stuhl neben dem Fenster und blickte nach draußen. Stimmen drangen herein, und auf dem Salzstadel war trotz des schlechten Wetters noch Hochbetrieb, den aber bald der Winter zur Ruhe zwingen würde.
    »Sie kommt nicht mehr«, sagte Anderl plötzlich.
    Erschrocken zuckte der Mönch zusammen.
    Anderl blickte ihn nicht an. Er betrachtete immer noch das Strohtier, einen Hasen. Seine Miene war nachdenklich.
    »Sie hat es mir versprochen. Warum kommt sie nicht?«
    Pater Franz setzte sich neben seinen Schützling aufs Bett.
    »Du weißt doch, dass Marianne fortgehen musste. Es hatte mit dem Krieg zu tun.«
    Anderl riss die Augen auf und ließ den Hasen fallen. Er schüttelte den Kopf.
    »Nein, das kann nicht sein. Niemals würde sie ohne mich fortgehen. Wir gehören zusammen.«
    Pater Franz seufzte.
    »Sie ist nicht freiwillig gegangen. Die Schweden sind schuld.«
    Anderl antwortete nicht, und Pater Franz wusste diese Art von Schweigen nicht zu deuten. Er wartete ab, doch Anderl machte keine Anstalten, erneut zu sprechen.
    Ungeduldig spielte der Abt an der Kordel seines Gürtels herum.
    Die Tür zur Zelle wurde geöffnet, und Karl betrat den Raum.
    »Die Zeit ist um, Mönch.«
    Pater Franz hob abwehrend die Hände.
    »Bitte, nur noch zwei Minuten.«
    Karl verdrehte die

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