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Das Pestkind: Roman (German Edition)

Das Pestkind: Roman (German Edition)

Titel: Das Pestkind: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Nicole Steyer
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riechende Luft schlug ihnen entgegen. Pater Franz bedeutete seinem Freund, im Flur zu warten. Durch das Fenster fiel fahles Mondlicht auf den alten Dielenboden. Langsam schlich der Abt zum Schreibtisch und sandte ein Dankgebet zum Himmel, als dort der Schlüssel am Haken hing.
    Die beiden schlichen die Treppe nach oben. Es lief alles wie am Schnürchen. Im oberen Flur war es stockdunkel. Vorsichtig tasteten sie sich an der Wand entlang und zählten die Türen. Als sie Anderls Zelle erreichten, steckte der Abt mit zittrigen Händen den ersten Schlüssel ins Schloss, doch erst beim dritten Versuch ließ sich die Tür öffnen.
    Anderl saß aufrecht im Bett, als sie den vom Mond erhellten Raum betraten. Er hatte die Decke bis zum Kinn hochgezogen und blickte voller Angst zur Tür. Pater Franz erriet sofort seine Gedanken. Anscheinend schlich hier nachts jemand ganz anderer herum.
    »Du musst keine Angst haben«, flüsterte er und hob beschwichtigend die Hände. »Wir sind es, Johannes und ich. Wir sind gekommen, um dich zu befreien.«
    Der Junge sah ihn ungläubig an.
    »Aber …«
    Johannes fiel ihm ins Wort.
    »Wir haben jetzt keine Zeit für Erklärungen. Wir müssen zusehen, dass wir wegkommen. Im Kloster können wir alles Weitere besprechen.«
    Anderl nickte. Für seine Verhältnisse begriff er ziemlich schnell. Er setzte sich auf die Bettkante, schlüpfte in seine Schuhe und folgte den beiden Mönchen auf den Flur. Langsam schlichen die drei die Treppe hinunter.
    Pater Franz hängte den Schlüssel zurück an seinen Platz und legte den Haustürschlüssel auf den Tisch. Gleich war es geschafft.
    Die drei traten auf die Straße, blieben dann aber wie erstarrt stehen, denn der Büttel stand vor ihnen und sah sie verblüfft an.
    Pater Franz war der Erste, in den wieder Leben kam. Hastig zog er Johannes und Anderl mit sich.
    »Schnell, lasst uns verschwinden.«
    Sie hasteten über den Salzstadel davon, verfolgt vom fluchenden Büttel, der wegen seiner Trunkenheit schlecht mithalten konnte.
    Es ging durch eine schmale Gasse, die zwischen zwei Hinterhöfen hindurch auf den Inneren Markt führte. Zwei betrunkene Bettler lagen im Schutz eines Hauseingangs und schliefen. Anderl stolperte über die Beine des einen und fiel der Länge nach hin.
    »Franz, warte, nicht so schnell. Anderl ist gestürzt«, rief Johannes seinem Freund hinterher und half dem Jungen aufzustehen. Pater Franz, der bereits das Ende der Gasse erreicht hatte, lief fluchend zurück und half Johannes dabei, Anderl aufzurichten. Er hatte sich das Kinn und die Handflächen aufgeschürft, doch weitere Verletzungen waren nicht zu erkennen.
    Prüfend schaute er Anderl in die Augen, in denen Tränen standen.
    »Geht es, mein Junge?«
    Er wartete die Antwort des Jungen nicht ab, sondern zog ihn eilig weiter, denn erneut tauchte der Büttel hinter ihnen an der Hausecke auf.
    »Stehen bleiben, sofort«, drang die Stimme des Büttels an sein Ohr.
    Anderl an der Hand, rannte er über den Inneren Markt und auf das Münchener Tor zu, die lauten Rufe des Büttels in den Ohren.
    Johannes konnte mit seinem Freund nicht mehr mithalten und blieb, sich die Seite haltend, zurück. Auch Anderl taumelte nur noch neben Franz her, und als sie das Stadttor erreichten, trat ihnen der Torwächter in den Weg, der von den Rufen des Büttels aufgescheucht worden war.
    Der Abt blieb stehen und sah den Wächter, mit dem er freundschaftlich verbunden war, bittend an.
    »Mein Freund, bitte, lasst uns durch. Ich bin es, Pater Franz.«
    Der Mann musterte Anderl skeptisch.
    »Ist das nicht der Bengel, der seine Mutter erschlagen hat?«
    Genau in diesem Moment erreichte der Büttel die kleine Gruppe.
    »Das ist er, mein Freund. Habt vielen Dank. Ihr habt soeben einen Fluchtversuch verhindert.«

M arianne saß in einem winzigen Bachlauf und hielt sich das Knie. Sie versuchte, sich aufzurappeln, rutschte aber auf dem feuchten Untergrund aus und fiel nach hinten.
    Das Paar Schuhe, das sie so erschreckt hatte, gehörte zu einem jungen Burschen, nicht älter als sechzehn Jahre, der sie verwundert aus seinen braunen Augen anstarrte.
    »Ich wollte dich nicht erschrecken«, sagte er und hob beschwichtigend die Hände. »Ich tu dir auch nichts. Ganz bestimmt.«
    Marianne blickte auf. Sie zitterte am ganzen Körper, doch sie beruhigte sich wieder, denn der Bursche sah nicht wie der erwartete Räuberhauptmann aus.
    »Toni, wo bleibst du denn?«, schallte es zu den beiden herunter, und zwei weitere

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