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Das Pestkind: Roman (German Edition)

Das Pestkind: Roman (German Edition)

Titel: Das Pestkind: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Nicole Steyer
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wie viel Ihr zu tun habt. Zu zweit würde die Arbeit viel leichter von der Hand gehen.«
    Fredl sah sie überrascht an. Er war es nicht gewohnt, dass jemand Widerworte gab. Normalerweise verließ bei seinen Wutanfällen jeder die Küche. Aber so schnell würde er sich von diesem Weibsbild nicht einwickeln lassen, und da war es ihm auch egal, dass der Schiffsmeister sie unter seinen Schutz gestellt hatte. Der Flussgott würde es ihnen übelnehmen, das wusste er. Frauen auf dem Wasser erzürnten ihn, daran war nicht zu rütteln.
    »Es geht doch nicht gegen dich persönlich«, lenkte er ein. Vielleicht begriff sie, wenn er es ihr noch einmal in Ruhe erklärte. »Es geht um den Flussgott dort draußen. Er macht die Regeln auf dem Inn, und wir sollten uns tunlichst daran halten. Frage nicht, was passiert, wenn er wütend wird.«
    Von draußen drangen laute Rufe herein, das Boot setzte sich ruckartig in Bewegung. Die Gefäße in den Regalen wackelten bedenklich, aber keines fiel herunter.
    Fredl erhob sich, ging zu dem großen Topf, griff nach einer Tonschale, schaufelte dampfenden Haferbrei hinein und hielt die Schale Marianne hin.
    »Es ist besser, wenn du hinausgehst, bitte.«
    Marianne nahm seufzend die Schale entgegen. Der Brei duftete sehr gut, und da sie noch nichts gegessen hatte, würde sie jetzt nachgeben und gehen. Aber das letzte Wort war hier noch nicht gesprochen.
     
    Die Schale in der Hand, trat sie nach draußen, wo ihr sofort Toni fröhlich zurief:
    »Hallo, Marianne. Hat er dich rausgeworfen?«
    Marianne sah Toni verwundert an. Der Bursche stand grinsend am Heck des Schiffes und hatte ein großes schmales Holzruder in der Hand.
    Sie setzte sich neben ihn auf eine Bank. Der schwankende Untergrund war ihr nicht geheuer.
    »Ja, fürs Erste bin ich geflohen. Ist er immer so?« Sie begann, ihr Frühstück zu essen.
    Toni schüttelte den Kopf.
    »Nein, manchmal ist er erträglich. Wenn er zu viel Wein getrunken hat, dann kann er sogar richtig lustig sein.«
    Marianne lächelte.
    »Wir können ihm aber schlecht den ganzen Tag Wein geben. Ich werde es später noch einmal versuchen, irgendwann wird er schon einlenken.«
    Toni neigte den Kopf zur Seite.
    »Und wieder zeigst du mir, wie mutig du bist. Jeder andere würde diese Küche gewiss auf ewig meiden.«
    Marianne lächelte.
    »So schlimm ist er auch wieder nicht.«
    Danach sagte eine Weile keiner etwas. Toni hatte damit zu tun, das Schiff zu steuern, er bekam Anweisungen von dem Boot hinter ihnen. Marianne blickte über den Fluss.
    Die Sonne war inzwischen aufgegangen, und das andere Ufer war gut zu erkennen. Grau und kahl ragten die Äste der Bäume in die Höhe. Enten schwammen an ihnen vorüber, und einige Blesshühner tauchten neben dem Boot nach etwas Essbarem. Sie atmete die kühle Luft tief ein. Noch nie im Leben war sie auf einem Schiff gewesen. Plötzlich wünschte sie sich Anderl neben sich. Seine Augen würden strahlen, und seinen Mund würde dieses besondere Lächeln umspielen, das er nur hatte, wenn er die Schifffahrer sah.
    Toni bemerkte die Veränderung an Marianne, die Traurigkeit, die plötzlich in ihrem Gesicht geschrieben stand.
    »Warum siehst du auf einmal so traurig aus«, fragte er.
    Marianne zuckte zusammen und sah den Knaben überrascht an.
    »Ach, es ist nichts«, wich sie aus.
    Toni mochte erst sechzehn Jahre alt sein, aber er hatte vier große Schwestern, und diesen sehnsuchtsvollen Blick kannte er sehr genau.
    »Du bist verliebt, oder?«
    Marianne zog erstaunt die Augenbrauen hoch.
    Toni lachte laut auf.
    »Ich sehe es in deinen Augen. Ich habe vier ältere Schwestern, und die hatten genau denselben Blick, wenn sie an ihren Liebsten dachten.«
    Marianne lächelte. Sie hatte also einen Fachmann vor sich.
    »Und was ist, wenn ich nicht an meinen Liebsten gedacht habe?«
    Toni kratzte sich nachdenklich am Kopf. Marianne musste schmunzeln. Sie schloss den schmächtigen Knaben mehr und mehr ins Herz. Wahrscheinlich hatte Alois den Jungen ihrem Boot zugeteilt, um sie aufzuheitern, denn Toni war mit seiner erfrischenden Art und seiner Lebensfreude ein lebendiges Gegenstück zu dem mürrischen Fredl und seinem eigenwilligen Flussgott.
    Der Junge zuckte mit den Schultern.
    »Du hast aber so ausgesehen, als würdest du an ihn denken. Dieser sehnsüchtige Ausdruck in den Augen verrät alle Frauen. Hast du überhaupt einen Liebsten?«
    »Ich habe an meinen Bruder gedacht«, erwiderte sie und ließ seine Frage unbeantwortet. Was hätte sie

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