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Das Pestkind: Roman (German Edition)

Das Pestkind: Roman (German Edition)

Titel: Das Pestkind: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Nicole Steyer
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auch darauf antworten sollen? Ja, ich habe einen, aber er liegt tot im Dachauer Moos oder verscharrt in einer Grube?
    »Du hast deinen Bruder sehr gern, oder?«
    Ein leichter Wind war aufgekommen und trieb das Boot in die Mitte des Flusses.
    »Ja«, bestätigte sie, »er lebt in Rosenheim. Bald werde ich ihn wiedersehen.«
    »Aber warum schaust du dann so traurig? Das ist doch gut.«
    Marianne stellte die leere Schale neben sich auf den Boden und murmelte leise: »Wenn er noch lebt.«
    »Wieso, wenn er noch lebt?«
    Erstaunt sah Marianne den Knaben an. Er hatte ein scharfes Gehör. Sie atmete tief ein.
    »Er soll für den Mord eines anderen büßen.«
    Jetzt wurde Toni hellhörig. Das roch nach einer guten Geschichte, und dafür war er immer zu haben.
    »Erzählst du mir, was passiert ist?«, fragte er neugierig.
    Marianne zögerte. Doch dann gab sie sich einen Ruck. Toni hatte ihr Glück gebracht. Wäre sie ihm nicht in die Arme gelaufen, würde sie immer noch allein am Ufer entlanggehen und wer weiß wem begegnen.
    Sie begann zu erzählen und berichtete auch von ihrer Zeit im Tross, von den Menschen dort und von Albert. Als sie geendet hatte, starrte Toni sie mit offenem Mund an.
    »Da hol mich doch der Teufel. Und ich dachte, mein Leben wäre aufregend.«
    Marianne lachte laut auf.
    »Lass das mit dem Teufel lieber sein.«
    Toni grinste breit.
    »Ich habe ja gleich gesehen, dass du etwas Besonderes bist. Aber jetzt verstehe ich so einiges. Kein Wunder, dass Alois dich gern hat.«
    »Alois hat mich gern?«
    Toni biss sich auf die Lippen.
    Marianne sah ihn herausfordernd an.
    »Raus mit der Sprache. Was hat er gesagt?«
    Der Junge hob abwehrend die Hände.
    »Gar nichts, wirklich. Es ist nur …«
    »Was ist nur?« Marianne war aufgestanden. Warum die Andeutungen des Knaben sie so ärgerten, wusste sie selbst nicht. Eigentlich sollte sie sich geschmeichelt fühlen, wenn der Schiffsmeister sie gernhatte.
    »Er sieht dich immer auf so eine besondere Art an.«
    Marianne lachte. Wie gut Toni Blicke deuten konnte, hatte er bereits unter Beweis gestellt. Kopfschüttelnd griff sie nach ihrer Schale und wandte sich ab.
    »Ich werde dann mal einen neuen Versuch starten, Fredl zur Hand zu gehen. Wir sehen uns später.«
    Toni sah ihr verblüfft nach.
    »Warum gehst du denn fort? Ich wollte dich nicht beleidigen, ehrlich.«
    Marianne drehte sich noch einmal zu ihm um.
    »Das hast du nicht.«
    Lächelnd trat sie in die Küche und wurde vom dunklen Rauch des Ofens verschluckt.
    Fredl stand am Herd, der Duft von gebratenem Fleisch erfüllte den Raum. Neben dem Tisch stand ein Korb mit Wurzelgemüse, das geputzt werden musste. Schweigend setzte sich Marianne und begann, Rüben zu schälen. Fredl reagierte nicht, obwohl er sie gewiss bemerkt hatte. Marianne sah es als ein gutes Zeichen an, dass er sie nicht gleich wieder fortschickte. In aller Ruhe erledigte sie ihre Arbeit und freute sich darüber, endlich etwas Sinnvolles zu tun zu haben, denn sie mochte es nicht, tatenlos herumzusitzen, während alle anderen arbeiteten.
    Irgendwann brach Fredl dann doch das Schweigen.
    »Sie müssen in Scheiben geschnitten werden«, sagte er mürrisch, ohne sich umzudrehen.
    Marianne nickte.
    Fredl griff nach einem der Gefäße an der Wand, öffnete es und streute etwas von dessen Inhalt über das Fleisch. Marianne atmete tief ein.
    »Rosmarin«, sagte sie genüsslich.
    Jetzt drehte sich der Alte doch zu ihr um.
    »Ja, Rosmarin. Was sonst.«
    Marianne zog den Kopf ein und arbeitete schweigend weiter. So verging eine ganze Weile. Als sie mit dem Schneiden der Rüben fertig war, warf er das Gemüse zum Fleisch. Marianne blieb geduldig auf ihrem Platz sitzen.
    Und tatsächlich fragte Fredl nach einer Weile:
    »Kannst du Fladenbrot backen?« Er sah sie herausfordernd an.
    »Ja«, antwortete sie.
    »Gut.« Er deutete auf eines der Fässer in der Ecke. »Darin ist Mehl, also fang an.«
    Mehr Freundlichkeit konnte Marianne von ihm nicht erwarten. Sie erhob sich, doch plötzlich begann das Boot gefährlich zu schwanken. Es schaukelte so stark, dass einige der Behälter vom Regal rutschten und klirrend auf dem Boden zerbrachen. Die Töpfe auf dem Ofen begannen zu rutschen. Fredl hielt sie fest.
    »Was ist denn jetzt los?«, rief Marianne erschrocken und klammerte sich an einen Stützpfeiler.
    »Das ist er. Ich habe es doch gleich gesagt«, schimpfte der alte Mann. »Der Flussgott! Er ist wütend! Wir hätten ihn in Ruhe lassen sollen!«
    Ein lauter

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