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Das Pestkind: Roman (German Edition)

Das Pestkind: Roman (German Edition)

Titel: Das Pestkind: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Nicole Steyer
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durchnässt.
    Einer der beiden trug eine Lederpeitsche in der Hand und fuchtelte drohend damit herum.
    »Macht euch von der Straße fort, elende Bettler. Seht ihr nicht, dass wir es eilig haben?«
    Hastig liefen die drei zur Seite. Anderl wurde von der Peitsche an der Wange getroffen und schrie laut auf, während Marianne das Gleichgewicht verlor und in eine der Pfützen fiel.
    »Sieh sie dir an, Beppo, welch dumme Tölpel sie sind«, rief einer der beiden Männer abfällig. Marianne erhob sich wütend.
    »Was haben wir Euch getan, dass Ihr so rüde mit uns umgehen müsst? Ihr solltet Euch schämen.«
    Da blieb das Fuhrwerk stehen, und einer der Männer kletterte herunter, kam auf Marianne zu und baute sich vor ihr auf.
    »Von einem Weibsbild muss ich mir so etwas nicht sagen lassen.« Er musterte Marianne genauer, und plötzlich blitzte es in seinen Augen.
    »Ich kenne dich doch. Bist du nicht das Gör vom Stockhammer Bräu, das es mit dem Teufel hat. Das Pestkind?«
    Marianne wollte etwas erwidern, doch Anderl war schneller und stellte sich schützend vor seine Schwester.
    »Lasst sie in Ruhe. Sie hat es nicht mit dem Teufel.«
    Der Mann musterte Anderl abschätzend.
    »Und wo die Teufelin ist, kann auch der Dumme nicht weit sein.« Er ließ seine Peitsche knallen.
    »Für diese Frechheiten sollte ich euch eine Tracht Prügel verpassen. Ein für alle Mal hinauswerfen sollte man so ein Gesindel aus der Stadt, nicht wahr, Ludwig?«, rief er seinem Gefährten zu, der auf dem Bock sitzen geblieben war und ungeduldig zu winken begann.
    »Jetzt komm schon, Beppo. Wir müssen uns beeilen und das Getreide abladen, sonst ist es bald nicht mehr zu gebrauchen.«
    Theo, der rückwärts einen kleinen Abhang hinuntergerollt und unsanft in einem Brombeergestrüpp gelandet war, trat jetzt wieder auf die Straße und sprach Beppo an.
    »Was soll das werden? Haben Euch die beiden irgendwie Schaden zugefügt? Oder warum seid Ihr so gemein zu ihnen?«
    Verwundert drehte sich Beppo um und starrte Theo an.
    »Der Alte vom Fluss. Wer sonst könnte auf den Gedanken kommen, dieses Gesindel auch noch zu verteidigen.«
    Theo trat auf den Mann zu, blieb direkt vor ihm stehen und blickte ihm ruhig in die Augen.
    »Ihr hört lieber auf Euren Freund und fahrt weiter. Er hat recht, das Getreide wird bei diesem Wetter nicht besser. Wir haben Euch nichts getan, also lasst uns in Frieden weiterziehen.«
    Beppo warf Marianne und Anderl einen wütenden Blick zu. »Beim nächsten Mal werde ich euch nicht so glimpflich davonkommen lassen. Pack wie euch muss das Handwerk gelegt werden.«
    Er kletterte auf den Bock, und das Fuhrwerk setzte sich in Bewegung.
    Marianne entspannte sich wieder.
    »Manchmal frage ich mich, wie lange ich so etwas noch ertragen kann.«
    Theo strich ihr tröstend über den Rücken.
    »Sie sind diejenigen, die dumm sind und sich versündigen. Glaube mir, es wird der Tag kommen, an dem das Schicksal sich rächen wird, denn keine Sünde bleibt ungesühnt.«
    Marianne sah auf Anderls Wange, auf der ein großer roter Striemen prangte.
    »Ich will doch gar nicht, dass sich das Schicksal oder Gott an ihnen rächt. Ich will einfach nur leben dürfen wie alle anderen auch.«
     
    Wenig später öffnete Marianne die Tür zum Dachboden der Brauerei. Die schmale Kammer, die kein Fenster hatte und in der man nicht aufrecht stehen konnte, war düster und wenig einladend.
    Marianne wischte eine Spinnwebe weg und betrat als Erste, eine Kerze in der Hand, den Raum. Anderl, der eine Wolldecke über dem Arm trug, folgte ihr. Theo blieb noch etwas unsicher im Türrahmen stehen, denn so viel Finsternis erschreckte ihn. Bereits im Treppenhaus und dem engen düsteren Flur hatte er sich unwohl gefühlt, doch hier oben ergriff Angst von ihm Besitz. Hier gab es keine Luft, Freiheit oder Licht, und es roch modrig nach Holz und Malz. Er fror auch im Winter nicht, doch jetzt hatte er plötzlich eine Gänsehaut. Die Kinder meinten es gut mit ihm. Nachts konnte er sich sicherlich aus dem Haus schleichen, und das Wasser würde bald wieder abfließen, doch ob er die langen, endlosen Tage in dieser dunklen Kammer aushalten würde, bezweifelte er.
    Einige alte Möbel standen herum. Schränke, ein kaputter Tisch mit drei Beinen und zwei Kommoden, einer davon fehlte eine Schublade. Marianne leuchtete in die Ecken und stellte erleichtert fest, dass die alten Strohmatratzen noch immer dort lagen. Ihr Anblick erinnerte sie schmerzlich an ihre Kindheit, an die Zeiten,

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