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Das Pestkind: Roman (German Edition)

Das Pestkind: Roman (German Edition)

Titel: Das Pestkind: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Nicole Steyer
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auf. Du weißt doch, Pfarrer Heinrich liegt krank darnieder, und ich muss für ihn die Messe leiten und den Gläubigen die Beichte abnehmen.«
    Johannes wandte sich wieder seinem Gemüse zu.
    »Dann hebe ich dir etwas von der Suppe auf.«
    Er deutete nach draußen. »Bei dem Wetter wirst du eine warme Mahlzeit gewiss nötig haben.«
    Über Pater Franz’ Gesicht huschte ein Lächeln.
    »Was würde ich nur ohne dich tun, mein Freund.«
     
    In Rosenheim stand das Wasser bereits auf dem Inneren Markt. Die Wolkendecke riss genau in dem Moment ein wenig auf, als der Mönch durchs Münchener Tor trat, und helle Sonnenstrahlen funkelten in den Pfützen.
    Pater Franz wandte sich nach rechts und schritt durch die Laubengänge, um den vorbeifahrenden Fuhrwerken und dem aufspritzenden Wasser zu entgehen. Vor den Eingängen lagen Sandsäcke und Bretter, so manche Tür war geöffnet. Er wurde von allen freundlich gegrüßt, und manch einer winkte ihm sogar fröhlich zu.
    »Grüß Gott, Pater Franz«, grüßte Constanze Lechner, die Frau des Apothekers, als er an der Apotheke vorbeikam. »Was für ein Wetter heute, aber wir sind es ja inzwischen gewohnt. Soll ich Euch wieder von dem guten Franzbranntwein für Pater Johannes mitgeben?«
    Pater Franz blieb lächelnd stehen. Er mochte die korpulente Frau mit den dunkelbraunen Haaren, die bereits von ersten grauen Strähnen durchzogen waren. Sie war immer offen, herzlich und nett. Rührend kümmerten sie und ihr Mann sich um die medizinischen Belange des Klosters und berechneten oft nicht mal einen Kreuzer für eine Salbe oder ihren hervorragenden Franzbranntwein.
    »Grüß Gott, Constanze. Vielen Dank für Euer freundliches Angebot, aber heute bin ich auf dem Weg zur Kirche. Ein Fieber plagt Pfarrer Heinrich, und er hat mich gebeten, die Messe zu halten.«
    Constanze stellte ihren Schrubber zur Seite.
    »Das ist aber schön, denn ich wollte jetzt sowieso hinübergehen, dann kann ich Euch begleiten. Johann hat die ganze Nacht in unserer Kräuterkammer verbracht und ruht sich aus. Gott verzeiht es ihm gewiss, wenn er heute auf den Kirchgang verzichtet. Stunden bringt er damit zu, eine neue Medizin für die vielen Durchfallerkrankungen zu finden, aber nichts hat bis jetzt Wirkung gezeigt.«
    Sie machte eine weit ausholende Geste, während sie die Tür schloss.
    »Bei dem vielen Wasser ist es kein Wunder, dass die Leute krank werden. Auch der Brunnen ist verseucht. Was alles in den Bächen außerhalb der Stadtmauern schwimmt, will ich gar nicht wissen. Wenn das so weitergeht, dann werden wir alle elendig zugrunde gehen. Damals, als die Brücke noch stand und wir das Wasser vom Berg bekommen haben, da hatten wir keine solchen Sorgen.«
    Pater Franz lief schweigend neben der lamentierenden Frau her. Eigentlich mochte er ihre geschwätzige Art sehr gern, denn sie wusste die neuesten Neuigkeiten und jeden Klatsch und Tratsch. Gott möge es ihm verzeihen, dass er ihr mit Freude zuhörte. Es war so belanglos, was sie erzählte, und in der holzvertäfelten Apotheke, mit den vielen Schubladen an den Wänden und dem wunderbaren Duft der verschiedensten Kräuter, der dort immer allgegenwärtig war, fühlte er sich mehr als wohl. Doch heute schwirrte ihm der Kopf, und er war froh, als sie die Kirche erreichten und er in die Stille der Sakristei entfliehen konnte.
     
    Eigentlich mied er seit dem Einfall der Schweden die Nikolauskirche. Früher war er häufiger gekommen, besonders gern zu den Sprachgottesdiensten, die Pfarrer Heinrich immer abends abhielt. Er mochte die Größe und Weite des Gotteshauses und liebte es, wenn das Sonnenlicht durch die bunten Glasfenster auf den Marmorboden fiel, genoss aber auch die anheimelnde Atmosphäre im Winter, wenn das Licht der Kerzen das Einzige war, das den großen Raum erhellte.
    Doch seit die Schweden hier gewesen waren, erinnerte ihn dieser Ort stets an die schrecklichen Morde und Schändungen, die er bei seiner Flucht aus der Stadt mit ansehen musste.
    Sein Blick fiel auf die winzige Holztür, die sich, verdeckt von Kerzenständern, hinter dem Tisch befand.
    Dort unten hatten sich die beiden an jenem Tag versteckt.
    Er machte sich Vorwürfe, sie in dem Durcheinander allein gelassen zu haben. Voller Panik war er fortgelaufen, nur sein eigenes Leben im Blick. Gott würde ihn dafür strafen, denn er war für sie verantwortlich gewesen.
    Als er den Altarraum kurze Zeit später gemeinsam mit zwei Ministranten betrat, war die Kirche gut gefüllt. Die Menschen

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