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Das Pestkind: Roman (German Edition)

Das Pestkind: Roman (German Edition)

Titel: Das Pestkind: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Nicole Steyer
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obwohl sie es eher abstoßend fand, zwischen zerlegten Schweinehaxen und halb geronnenem Blut genommen zu werden. Aber was tat man nicht alles dafür, dass in der Wirtschaft heute Abend frisches Huhn aufgetischt werden konnte. Alfred hatte ihr sogar noch ein paar Rinderknochen extra eingepackt, die bereits seit längerer Zeit auf dem Ofen standen und gemeinsam mit Karotten und Lauch vor sich hin kochten.
    Die Hintertür wurde geöffnet. Ein kühler Luftzug wehte in den Raum und ließ die Kerze auf dem Tisch flackern, der Bürgermeister trat ein.
    »Xaver«, begrüßte Margit ihn verwundert. »Was tust du denn hier? Du bist ja ganz blass. Ist etwas geschehen?«
    Der Bürgermeister rieb sich nervös die Hände.
    »Ich war in der Kirche, wegen der Sache von damals.«
    Margit trat näher. Ihre Stimme wurde leiser.
    »Aber warum denn? Wir hatten doch abgemacht, dass keiner von uns ein Wort darüber verlieren wird.«
    Der Bürgermeister sank auf einen Stuhl und fuhr sich durch sein nasses Haar.
    »Aber ich kann das nicht. Der Junge wird zu Unrecht hingerichtet. Du weißt genauso gut wie ich, dass der Büttel und Josef« – er nickte zur Flurtür – »dahinterstecken. Gott wird uns bestrafen für unsere Sünden, Margit. Ich war heute bei der Beichte, doch der Mönch will mir keine Absolution erteilen.«
    Margit sah Xaver erschrocken an.
    »Du hast es dem Mönch erzählt? Ja, bist du denn von Sinnen! Er wird doch sofort versuchen, den Jungen zu retten.«
    Das Stadtoberhaupt winkte ab.
    »Gar nichts wird er, denn ob er will oder nicht, er muss sich an sein Beichtgeheimnis halten.«
    Margit wurde misstrauisch.
    »Du hast meinen Namen aber nicht erwähnt, oder?«
    Xaver blickte betreten zu Boden.
    Margit sah ihn fassungslos an.
    »Also kann ich davon ausgehen, dass der Mönch bald hier auftauchen wird, und ich bin an kein Beichtgeheimnis gebunden.«
    Sie wurde wütend. Was dachte sich dieser Mann dabei. Er ruinierte ihr vielleicht gerade ihre Zukunft. Wie sollte sie dem Mönch erklären, dass sie nichts gesehen hatte, wenn er schon alles wusste.
    *
    Josef schob den letzten Betrunkenen auf die Straße, schloss die Tür hinter sich und drehte den Schlüssel im Schloss. Dann blickte er sich in der Gaststube um. Er liebte diesen Moment. Auf den Tischen standen noch die letzten Gläser, die Ausdünstungen der Männer und der Geruch von Essen hingen in der Luft, und im Licht der heruntergebrannten Kerzen verflüchtigte sich der letzte Zigarrenrauch. So hatte er sich sein Leben hier vorgestellt. Er war der Herr über die Brauerei und bald auch ein angesehener Bürger. Im Moment begegnete ihm so mancher noch mit Misstrauen, doch bald würde er den letzten Argwohn ihm gegenüber zerstreut haben. Er versuchte immer, freundlich und nett zu sein. Er liebte es, Gläser polierend hinter der Theke zu stehen, und mochte den frischen Geruch des Bieres, wenn es aus dem Fass kam. Die ganze Zeit über hatte er sich gefragt, wie es war, ein Wirt zu sein, doch dass es ihm so viel Freude bereiten würde, hatte er nicht vermutet. Endlich hatte er seinen Platz im Leben gefunden. Er ließ seinen Blick Richtung Küche wandern, in der Margit laut mit dem Geschirr klapperte. Er seufzte. Eigentlich hatte er angenommen, es gut mit ihr getroffen zu haben, denn sie war nicht sonderlich klug, aber fleißig, und die Kundschaft mochte sie. Ihre weiblichen Qualitäten kamen ihm ebenfalls sehr entgegen. Sie war nicht unerfahren und gut gebaut. Allzu gern hätte er sie zu seiner Gattin gemacht, aber nicht aus Liebe. Zu solchen Träumereien hatte er sich noch nie hinreißen lassen, denn Gefühle waren nicht seine Welt. Margit war für ihn ein praktisches Zubrot zur Brauerei gewesen, dem er sich jetzt leider entledigen musste. Er hatte durch Zufall das Gespräch zwischen ihr und dem Bürgermeister belauscht. Eiskalt war ihm geworden, und es hatte ihn eine Menge Kraft gekostet, die altbekannte Wut zu unterdrücken, die in ihm aufgestiegen war. Allerdings galt es nun, eine ungeliebte Zeugin verschwinden zu lassen. Margit hatte das schon richtig erkannt. Der Mönch musste sich beim Bürgermeister an sein Beichtgeheimnis halten, aber sie war an nichts gebunden und würde ihn am Ende verraten.
    Er durchschritt die Gaststube und betrat die Küche.
    Der Geruch von verbranntem Fett schlug ihm entgegen, und auf dem Herd standen einige Pfannen und Töpfe, die noch gereinigt werden mussten. Margit trocknete Teller ab. Sie sah ihren Verlobten überrascht an und wich

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