Das Pestkind: Roman (German Edition)
dem Geschirr und den Viechern war kaum etwas da. In meinen Satteltaschen habe ich noch zwei Hühner für Milli. Bestimmt wird sie sich freuen.«
Albert nickte.
»Sie wird es trotzdem nicht lassen können, noch einmal herzukommen. Du kennst sie doch. Sie entdeckt immer noch irgendetwas, das sie gebrauchen kann, auch wenn wir dachten, wir hätten alles gefunden.«
Claude grinste. Milli besaß wirklich ein Gespür dafür, Dinge zu finden.
»Ja, weißt du noch, wie sie in dem alten Landgut irgendwo im Spessart das Versteck mit der Goldtruhe entdeckte? Wir hatten dort stundenlang alles durchwühlt und haben nicht mehr als einige Zinnteller und etwas Stoff gefunden. Tagelang hat sie uns damit aufgezogen.«
Albert lächelte.
»Unsere gute alte Milli, die beste Marketenderin weit und breit.«
Sie verließen den Innenhof des Schlosses und schwangen sich auf ihre Pferde.
Doch als sie losreiten wollten, knackte es hinter ihnen. Alarmiert drehten sie sich um, und Claude zog seine Waffe.
Aber es war nur Friedrich, der hinter ihnen auf die Straße trat.
Verwundert musterten ihn die beiden.
Er wirkte angeschlagen, war blass, atmete schwer, rote Pusteln überzogen seine Haut, und auf seiner Stirn standen Schweißperlen. Besorgt stieg Albert, der es als seine Pflicht ansah, sich um die Männer seines Bruders zu kümmern, vom Pferd.
»Du siehst mitgenommen aus, Friedrich.« Er machte einige Schritte auf den ungeliebten Kameraden zu.
Friedrich winkte ab.
»Mir geht es gut. War nur bisschen viel letzte Nacht.« Suchend blickte er sich um. »Wo ist mein verdammter Gaul geblieben?« Er griff sich an die Stirn und sank torkelnd in die Knie.
Sofort war Albert bei ihm, und auch Claude stieg von seinem Pferd.
Gemeinsam halfen sie dem offensichtlich Kranken auf die Beine und setzten ihn auf einen umgefallenen Baumstamm. Albert musterte ihn genauer.
Friedrichs Augen glänzten vom Fieber, seine Kleidung war zerschlissen, an seinem rechten Bein klaffte eine große Fleischwunde, und von seinem roten Ausschlag ging ein unangenehmer Geruch aus.
Claude nahm seinen Kameraden ebenfalls in Augenschein. Er erkannte allerdings im Gegensatz zu Albert sehr schnell, was mit ihm los war. Diese Art von Ausschlag hatte er schon Hunderte Male gesehen. Er bedeutete Albert, ihm zu den Pferden zu folgen.
Dieser sah ihn voller Unverständnis an.
»Geh allein, Claude. In meiner Satteltasche ist eine Stoffbinde und auch etwas Branntwein, die Wunde muss versorgt werden.«
Doch Claude blieb hartnäckig.
»Ich weiß nicht, wo ich nachsehen muss.« Er bedeutete Albert erneut, ihm zu folgen. Jetzt begriff Albert endlich und folgte ihm.
»Er hat die Syphilis. Der Ausschlag, das Fieber«, flüsterte Claude, während Albert seine Weinflasche suchte. »Ich habe es schon so oft gesehen. Er ist todkrank, niemand kann ihm mehr helfen.«
Albert blickte skeptisch von Claude zu Friedrich, der die beiden misstrauisch beobachtete.
»Denkst du wirklich? Ich weiß nicht. Vielleicht war ihm tatsächlich die Schlacht zu viel. Eine große Wunde hat er auch.«
Friedrich trat jetzt näher.
Seine Miene hatte sich verfinstert.
»Was tuschelt ihr so lange?« Er sah Claude herausfordernd an.
»Ich weiß, was du denkst. Ja, recht hast du. Ich habe die Franzosenkrankheit. Zuerst wollte ich es nicht wahrhaben, aber jetzt lässt es sich nicht mehr leugnen.«
Seine Stimme wurde lauter.
Claude sah betreten zu Boden, und auch Albert bemühte sich, Friedrichs Blick auszuweichen.
»Ihr denkt jetzt, dass ich mich nicht beherrschen kann, nicht wahr?«
Seine Augen begannen gefährlich zu funkeln.
Wieder erwiderten die beiden nichts. Was hätten sie auch sagen sollen. Claude wusste, wie einfach es war, sich mit dieser Krankheit anzustecken, denn eine Nacht mit der falschen Frau genügte. Niemand war in diesen Zeiten davor gefeit. Er selbst besorgte sich seine Huren nur bei Milli, denn sie achtete stets darauf, dass ihre Mädchen gesund waren.
Der Franzose zuckte mit den Schultern und sah Friedrich teilnahmslos an.
»Dann war es eben ein Mal die falsche Frau, am Ende irgendeine, die du geschändet hast.«
Albert schwieg weiterhin. Er wusste schon, warum er es vermied, über Frauen herzufallen, und warum sein Interesse an Huren sehr gering war. Schon so manchen hatte er beobachtet, wie er im Laufe der Zeit dahinsiechte, verrückt vor Schmerzen irgendwann durchdrehte und einen grausamen Tod erlitt. Auch Friedrich würde es nun so ergehen, aber Mitleid empfand er nicht für
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