Das Pete Buch 21 - Uns kann keiner
zu sagen, daß sie das Blue Spring-Tal nunmehr dem Ärmsten der Stadt geben sollen."
Der Jäger schwieg eine Zeitlang. Sein Gesicht drückte Trauer aus.
„Es wird dabei manche Lügen geben; Neid und Erbärmlichkeit werden aufflammen, denn die Menschen hier sind nicht besser und schlechter als anderswo. I h r aber bleibt, die ihr seid, eine Gemeinschaft der Gerechtigkeit! Ich höre neben den Lügen auch viel Gelächter durch euch, aber haltet ein wenig Maß, liebe Freunde, denn ihr habt vor den Sorgen und Torheiten der Erwachsenen eigentlich nur eure unbekümmerte Jugend voraus. Doch später werden viele von euch nicht anders sein als die, über die ihr vielleicht bald den Kopf schütteln werdet. Denn die Torheit begleitet viele von uns bis in den letzten Lebenstag."
Dankend nahm Greg Sullivan die Gastgeschenke der Jungen an, die ihm den weiten Ritt in die Athabasken-berge erleichtern sollten. Bill Osborne und Sommersprosse fuhren mit dem Ford zu den beiden Ranches und brachten Räucherfleisch, ein paar Flaschen Fruchtsaft, Konserven und Tabak mit. Mammy Linda hatte sogar, als sie hörte, für wen sie das alles besorgen sollten, einen mächtigen Streifen gut durchwachsenen Speck beigepackt.
Greg Sullivan hatte den größten Teil seines einsamen Daseins in der Wildnis zugebracht und brauchte an sich keinen Proviant, weil ihn die Natur überall einen reichen Tisch bescherte. Aber er freute sich doch, daß es die Jungen so gut meinten.
Wie früher schon, begleiteten ihn diejenigen, die beritten waren, noch ein gutes Stück in die Berge. Als sie gegen Mittag heimkehrten, da hing schon neben der Officetür folgende Bekanntmachung:
„Bürger von Somerset! Die Güte unseres großen Freundes Greg Sullivan schenkt das Blue Spring-Tal mit Weide und Blockhaus demjenigen, welcher der Ärmste unter euch ist. Ein jeder helfe, diesen Ärmsten unter euch herauszufinden. Säufer und verbrecherische Elemente aber sollen nach Greg Sullivans ausdrücklichem Wunsch vom Genuß dieses Besitztums ausgeschlossen sein."
Wie ein Lauffeuer ging diese Kunde durch Somerset. Witwe Poldi nahm sich natürlich sofort wieder viel zu wichtig. Sie rief die Mitglieder der beiden Frauenvereine zusammen.
„Die Ärmsten befinden sich unter uns", verkündete sie, „denn die paar Hühnchen, Entchen, Gänschen und Ferkelchen, welche einige von uns ihr eigen nennen, sind anerkanntermaßen Arme-Leute-Tiere. Nur wer die großen Kühe oder Pferde im Stall stehen hat, der ist besitzend! Habe ich Ihre Zustimmung?"
„Sie haben!" — „Sie hat!" — Sie haben!" keifte, girrte und schrie es durcheinander.
Nur Mrs. Barrenslow, Mrs. Eggenbroad und die Witwe Jenny Meyer schrien nicht mit. Unter Protest verließen sie den Platz hinter der Feldscheune, wo Frau Poldi ihre Schäfchen diesmal versammelt hatte, denn sie besaßen ja Großtiere. Witwe Jenny Meyer hatte allerdings von ihrem jüngst verstorbenen Mann nicht sehr viel geerbt, und das brachte sie denn auch bei ihrem entrüsteten Abgang zum Ausdruck:
„Eine alte, kranke Kuh, die ich schon beim Metzger
angemeldet habe, weil sie mir sonst noch in den nächsten Tagen im Stall stirbt! — Soll das vielleicht Reichtum sein?"
„Außerdem hat Mrs. Poldi überhaupt nichts zu bestimmen, da reden noch ganz andere Leute mit! Ich melde mich hiermit aus dem Verein für Frauenrecht ab, ebenso aus dem Verband der Tugendhüterinnen!" ereiferte sich Mrs. Barrenslow.
„Und so wandeln Sie ab heute auf den schmutzigen Pfaden des Betruges, des Tiermordes und der Habsucht!" keifte die streitbare Witwe Poldi hinter den drei her.
Sämtliche Ladies nickten zustimmend. Es sah aus, als hätten sie sich leicht verschluckt.
Aber nicht nur die holde Weiblichkeit ließ sich durch den Anschlag neben der Officetür verrückt machen. Auch manch ein kleiner Farmer, der bis zur Stunde mit dem, was er besaß und ihn bisher ernährte, vollauf zufrieden war, überlegte allen Ernstes, ob er nicht seine vier, fünf Kühe und den Gaul rasch verkaufen solle, angeblicher Schulden wegen, in Wahrheit aber, um einen leeren Stall vorweisen zu können.
Die Leute, die sich an diesem Tage auf der Straße begegneten, sahen sich scheel an, grüßten sich kaum oder überhaupt nicht mehr. Jeder rechnete schon im stillen aus, ob er selber oder der Nachbar ärmer zu nennen sei. Das Mißtrauen und der Neid schlichen wie unsichtbare Gespenster durch Somersets Straßen und Häuser.
Nach dem Essen gingen nur noch ein paar Besonnene zur Arbeit. Dafür
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