Das Pete Buch 36 - Wo gibts denn sowas
hatten sie das kleine Plateau erreicht. „Verdammt unvorsichtiges Volk!" Sam schüttelte mißbilligend den Kopf. „Nicht einmal ein Posten am Durchgang! Wie leicht kann das ins Auge gehen — für sie, nicht für uns, natürlich!" Plötzlich begann er aber doch zu staunen. „Mensch, Mann und meiner Mutter Angesicht — ist das dort drüben nicht unser geliebtes Stinktier?"
„An den Schandpfahl gebunden? Sieht dem Schlacks ähnlich! Vielleicht haben sie ihn aber auch nur zum Auslüften hingestellt, weil er ihnen zu sehr duftete. Wie kommt er denn überhaupt hierher? Hatte doch keinen Auftrag, etwas zu unternehmen! Ich kann Leute nicht leiden, die auf eigene Faust handeln."
„Wahrscheinlich wollte er unsern Krieg ganz allein führen und ohne uns siegreich beenden? — So etwas sähe ihm ähnlich! Großmäulig genug ist er ja dazu, und wenn's dann ernst wird, geht ihm die Backside mit Grundeis."
„Wollen wir ihn befreien?"
„Sieh mal zu, was sich machen läßt! Ich such zunächst den fremden Häuptling auf und spreche mit ihm ein Männerwort."
Sam ließ sich schnell zu Boden gleiten und kroch davon, während Pete aufrechten Schrittes zu den Zelten hinüberging. Er wollte von Anfang an zeigen, daß er nichts zu verbergen hatte.
Fünf Minuten später erreichte Sam den abgestorbenen Baumstamm, an dem Jimmy stand, von der Rückseite her. Ashy, der Wächter, saß zehn Schritt von seinem Gefangenen entfernt. Er hatte ihm den Rücken zugekehrt, weil er das für besser hielt. Denn Jimmy war bemüht gewesen, ihn dauernd mit verlockenden Vorschlägen unaufmerksam zu machen. Er hatte ihm sieben Paradiese auf einmal versprochen, wenn er ihn losbände. Nicht, daß Ashy bestechlich gewesen wäre! Nein, doch er fürchtete, zum Schluß vielleicht der Überredungskunst des andern doch zu unterliegen. Auch hatte er Furcht davor, Jimmy zu nahe zu kommen. Er war eben nur ein Würstchen gegen seinen langen Gefangenen, das wußte er.
Sam paßte das sehr gut in den Kram. Jimmy hatte seine Annäherung noch nicht gemerkt; er stöhnte ab und zu und murmelte ununterbrochen vor sich hin. Was er sich da so interessiert selbst erzählte, konnte Sam nicht verstehen; aber Blödsinn war es seiner Überzeugung nach auf jeden Fall. Feixend riß er einen langen Grashalm aus und kitzelte Jimmy damit bedächtig an die Waden.
Das war verkehrt; Jimmy zog nämlich gleich beide Beine in die Höhe, so hoch es bei seinen Fesseln überhaupt ging, und als Sam ihn weiter kitzelte, begann er loszuschreien. „Hilfe! Gnade, Barmherzigkeit! Eine Schlange! Eine große Giftschlange! Eine Riesenschlange! Noch zwei Sekunden, dann hat sie mich verschlungen!"
Ashy schaute sich erschreckt um. Dann sah er wieder weg; er glaubte, Jimmy beabsichtige nur, ihn in seine Nähe zu locken, um ihn dann endgültig zu überlisten.
„Idiot!" Wütender als Sam zischte, konnte kein Mensch zischen. „Kannst du deine blöde Klappe denn überhaupt nicht eine Sekunde halten? Da komme ich, um dich zu befreien, obwohl du's nicht verdient hast, und du machst die ganze feindliche Sippschaft rebellisch!"
Jimmy wollte nun zunächst einmal die Arme in die Höhe heben. Natürlich ging das nicht, da er ja an den Baum gebunden war. Dann erinnerte er sich, Sams Stimme vernommen zu haben, und sofort fühlte er sich wieder obenauf.
„Los, Sommersprosse, schneid meine Fesseln durch, aber dalli! Dann machen wir die kleine Schmeißfliege, die mich bewacht, zu Apfelmus! Höchste Zeit, daß endlich etwas geschieht! Ich muß schon sagen, ihr habt euch verdammt Zeit gelassen, euren tapferen Jimmy aus der Löwengrube herauszuangeln!"
„Er wird nie im Leben etwas anderes als Blech reden!" feixte Sam, während er sich daran machte, Jimmys Fesseln durchzuschneiden. Das dauerte aber eine ganze Zeit, denn die Stricke, mit denen man den Schlacks festgebunden hatte, waren neu und äußerst fest.
Endlich war es so weit; die Seilenden fielen, und Jimmy wollte sich schon zu Boden gleiten lassen, um erst einmal von wegen gestockter Blutzirkulation und ähnlicher Dinge loszujammern. Dann jedoch besann er sich. Sam hatte so geschickt und lautlos gearbeitet, daß der kleine Wächter immer noch nicht merkte, was in seinem Rücken vorging. Jimmy vergaß sein vermeintliches Anrecht auf Bemitleidung und sprang dafür mit unterdrücktem Wutschrei auf seinen Wächter los, dem er es ordentlich geben wollte!
Ashy merkte erst im letzten Moment, was die Glocke geschlagen hatte. Blitzschnell sprang er auf, sah
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