Das Pete Buch 36 - Wo gibts denn sowas
Sommersprößling!" Es sollte forsch klingen, um den Freund zu ermutigen, noch kurze
Zeit durchzuhalten, aber es klang doch ganz schön bedrückt.
Dann begann Joe zu klettern. Er klebte am Stein wie eine Fliege an der Wand und bewegte sich auch beinahe so. Die Freunde konnten ihm nicht helfen; sie standen unten, starrten zu ihm hinauf, die Fäuste geballt, die Zähne zusammengebissen. Jerry Randers murmelte ununterbrochen etwas vor sich hin. Kein Mensch verstand, was er sagte; er selbst merkte es gar nicht.
Regenwurm kam immer näher an Sam heran. Sommersprosse konnte ihn aber nicht sehen; er gab keinen Ton mehr von sich. Nach wenigen Minuten klebte Joe ungefähr zwei Meter von ihm auf gleicher Höhe. Noch weiter heranzukommen schien unmöglich; das Gestein bot an dieser Stelle keinen Halt mehr.
„So, da bin ich!" Regenwurm lachte; es gelang ihm allerdings nur, ein sehr armseliges Lächeln um seinen Mund zu legen. „Der Herr werden sofort bedient — schließlich geht's bei uns nicht zu wie bei armen Leuten!" Das war an sich Blödsinn, sollte es wohl auch sein; aber es gelang dem Kleinen nicht, Sam damit ein Lächeln zu entlocken. Sommersprosses Gesicht war nicht mehr wiederzuerkennen; alle Farbe war aus seinen sonst so rosigen Wangen gewichen; die Lippen standen wie blauschwarze Striche über dem Kinn; seine Augen sahen matt und erloschen aus.
„Kannst du die Schlinge greifen, wenn ich sie dir vom Strauch aus zuwerfe?" Ohne eine Erwiderung abzuwarten, kletterte Regenwurm weiter. Wenn er auch nicht bis zu Sam gelangen konnte, den Strauch drei Meter rechts seitwärts über ihm würde er auf alle Fälle erreichen. Dann war er an Ort und Stelle. Er prüfte das Holz, das sich als gar nicht so kümmerlich erwies, wie es von unten her ausgesehen hatte, fand es gut und schwang sich hinauf. Er glich jetzt einem Reiter, der verkehrt herum im Sattel saß. Mit bebenden Händen knotete er sich die Lassos vom Bauch, flocht eine Schlinge, ließ das lange Ende des Riemens über das Holz zu dem Jungen hinunter, während er die Schlinge ins Pendeln brachte, wobei er langsam und vorsichtig nachgab.
„Kannst du noch greifen? Wirst du dich auch daran festhalten können?"
Sam hatte Mühe zu antworten. „Ich weiß nicht!" kam es schließlich gequält. „Ich glaube, ich hab überhaupt kein Gefühl mehr in den Fingern!"
„Dann probieren wir's mal anders. Andersrum genäht wird ja auch ein Schuh draus!" Der Kleine war nie verlegen. „Gib acht, daß du die Hände genau dann losläßt, wenn die Schlinge über deine Schultern gleitet — aber keine Sekunde früher, sonst geht's schief!"
„Mensch, Mann, das ist ja Millimeterarbeit! Ich fürchte, es geht nicht gut!" Johnny Wilde schüttelte den Kopf. „Ich seh am besten überhaupt nicht mehr hin —!" Trotzdem wandte er keinen Blick von dem, was sich über seinem Kopf zutrug.
Regenwurm ließ die Lassos nur noch wenig pendeln und gab Zentimeter für Zentimeter nach — bis zu dem Augenblick, wo der Riemen Sams Kopf beinahe streifte. In diesem Moment ließ er die Schlinge mit kurzem Ruck durchsacken. Sie glitt nach unten, legte sich über Sommersprosses Schultern — und da ließ Sam den Felsen los. Die Sekunde, die nun folgte, ging ihnen allen gewaltig an den Nerven.
„Mein Gott!" Jerry Randers blieb schier der Atem weg, als Sam hintenüberfiel und in die Tiefe zu stürzen drohte. Aber die Schlinge war schon über seine Arme geglitten, hatte sich um seinen Oberkörper gelegt — und in dieser Sekunde zog Regenwurm sie zu. Es gab einen gewaltigen Ruck. Der Kleine wurde nach vorn gezogen. Für einen Augenblick sah es aus, als würde er vom Strauch gerissen. Verzweifelt warf er sich nach rückwärts und ließ den Riemen fahren. Es war nicht mehr nötig, daß er ihn hielt; er hatte ihn ja vor dem Manöver für alle Fälle mehrere Male um den, Stamm des Strauches geschlungen.
Sam fiel etwa anderthalb Meter tief, dann straffte sich der Lasso und knirschte dabei grell; es klang wie ein verhaltener Pfiff, aber er hielt. Sommersprosses Schwerpunkt verlagerte sich, der Junge kippte kopfüber und hing! Das Schlimmste war überstanden; was nun folgte, bedeutete keine Gefahr mehr.
„Das hätten wir geschafft!" Regenwurm atmete befreit auf. Gleich darauf fuhr er sich mit dem Handrücken über die Stirn; sie stand voll von Schweißtropfen. Sein Mund schien wie ausgetrocknet; er hatte das Gefühl, einen ganzen Eimer Wasser austrinken zu müssen.
„Festhalten!" rief er den unten
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